Gewinnermittlung bei Betriebsstätten ohne Personal: Offene Fragen bei der Anwendung des AOA

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zuletzt aktualisiert am 8. April 2020 | Lesedauer ca. 3 Minuten
 

Nach den neueren – von vielen Staaten inzwischen angewandten Regeln der OECD zur Gewinnermittlung bei Betriebsstätten – wird maßgeblich auf die sog. „Personal­funk­tionen der Betriebsstätte” abgestellt. Wie aber ist zu verfahren, wenn die Betriebs­stätte über kein oder kein nennenswertes Personal verfügt? Das kann z.B. bei Wind- und Solaranlagen, Pipelines, Servern oder Automaten der Fall sein. Richtigerweise sollte dann nach wie vor die sog. „direkte Methode” anwendbar sein.

 

  

Die Gewinnermittlung bei ausländischen Betriebsstätten vollzog sich seit 1999 nach der sog. „direkten Methode”. Dabei wird der Gewinn der Betriebsstätte auf Basis einer Betriebsstättenbuch­führung nach inländischen Bilanzierungsvorschriften ermittelt. Ausgangspunkt der Gewinnermittlung ist demnach die Zuteilung von Wirtschaftsgütern zu der Betriebsstätte und dem Stammhaus. Aufwendungen sowie Erträge werden entsprechend aufgeteilt. Ist eine Zuordnung nicht möglich, erfolgt eine Aufteilung durch eine sachgerechte Schätzung. Auch in den internationalen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) ist ein solches Vorgehen seit 2010 als Standardmethode verankert.

 

 

Neues Verständnis der OECD

Ab 2013 begann die OECD das steuerpolitische Großprojekt Base Erosion and Profit Shifting  (BEPS) anzu­sto­ßen. Es ging u.a. darum, die Besteuerung internationaler Sachverhalte enger an der Wertschöpfung zu orien­tieren. Schon einige Jahre zuvor hatte die OECD zur Gewinnermittlung bei Betriebsstätten Neuland betreten: Betriebsstätten sollten wie rechtlich selbstständige und wirtschaftlich voneinander unabhängige Unternehmen behandelt werden. Die Sichtweise wurde durch die Aufnahme des sog. „Authorized OECD Approach” (AOA) in § 1 Abs. 5 Außensteuergesetz (AStG) und die Veröffentlichung der Betriebsstättengewinnaufteilungsver­ordnung im deutschen Steuerrecht verankert.

 

Die neue Vorschrift brachte jedoch weitere Besonderheiten mit sich, die über die Anwendung der direkten Methode deutlich hinausgehen. So sind im Ausgangspunkt der Betriebsstätte bei einer Funktions- und Risikoanalyse folgende Sachverhalte zuzuordnen, um sie wie ein eigenständiges und unabhängiges Unter­nehmen zu behandeln:

  1. Wesentliche Personalfunktionen;
  2. Vermögenswerte;
  3. Chancen und Risiken;
  4. Dotationskapital und
  5. übrige Passiva.

Den Personalfunktionen kommt dabei jedoch das maßgebliche Gewicht zu.

 

Koordinierte Vorgehensweise der Finanzverwaltung

Die deutsche Finanzverwaltung geht in jüngerer Zeit flächendeckend dazu über, ausländischen personallosen Betriebsstätten die in den vergangenen Jahrzehnten nach den jeweiligen DBA bewilligte Steuerfreistellung zu versagen. Es wird so verfahren, dass den Betriebsstätten unter Anwendung der Grundsätze des AOA mangels relevanter Personalfunktionen im Ausland ein Gewinn von Null oder maximal ein kleiner Residualgewinn zugewiesen wird.

 

Verteidigungsmöglichkeiten

Gegen die Auffassung der Finanzverwaltung gibt es mehrere Ansatzpunkte. Erstens werden personallose Betriebsstätten nach dem Recht mancher Länder als unbewegliches Vermögen eingeordnet (z.B. Windparks oder Solaranlagen). Somit kommt in den DBA jedoch die Vorschrift über Unternehmensgewinne nicht mehr zur Anwendung, sodass der AOA nicht einschlägig ist.

 

Zudem haben viele deutsche Abkommen den AOA noch nicht umgesetzt. Da der Bundesfinanzhof eine dyna­mische Interpretation ablehnt  –  also eine der jeweiligen Zeit angepasste Auffassung der Abkommen  –  ist der AOA in dem Fall auch nicht anwendbar. Drittens nimmt § 1 Abs. 5 AStG keine Gewichtung der einer Betriebs­stätte zuzuordnenden Sachverhalte vor. Die Vorschrift besagt nicht, wie zu verfahren ist, wenn keine Personal­funktion vorhanden ist. Die von der Finanzverwaltung dazu erlassenen Verwaltungsanweisungen lassen sich daher mit dem Rechtsstaatsprinzip kaum vereinbaren, weil es an einer klaren Ermächtigungsgrundlage fehlt.

 

Fazit

Der gesamte Problemkreis ist unseres Erachtens von der OECD schlicht nicht bedacht worden. Soweit sich die OECD in ihren Papieren mit Server-Betriebsstätten auseinandergesetzt hat, ist zu bedenken, dass zwischen Servern und z.B. Windpark-Betriebsstätten erhebliche Unterschiede bestehen. Server üben lediglich eine Hilfsfunktion aus; beim Windpark hingegen findet die gesamte Wertschöpfung vor Ort durch das Windrad selbst statt. Richtigerweise muss das Abstellen auf die Personalfunktion in solchen Fällen hinter einer klaren Orientierung der Besteuerung nach der Wertschöpfung zurücktreten.

 

Leider hat die Finanzverwaltung das Thema überraschend mit dem BMF-Schreiben vom 17. Dezember 2019 (Az. IV B 5 – S 1341/19/10010 :003) aufgegriffen und damit die o.g. Verwaltungspraxis auch formell bestätigt. Das wird jedenfalls dazu führen, dass den Prüfern in Betriebsprüfungen kein Handlungsspielraum mehr zusteht. Die hier dargestellten Verteidigungsargumente können natürlich nach wie vor – und unseres Erachtens gewinnbringend – vorgetragen werden.

Bitte beachten Sie:

  • Bei personallosen Betriebsstätten muss die Gewinnabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte besonders sorgfältig begründet werden.
  • Es gibt gute Argumente gegen die von der Finanzverwaltung meist angenommene Gewinnzuweisung von Null zur personallosen Betriebsstätte.
  • Anzuwenden ist mangels anderer Anhaltspunkte meist die direkte Methode aus dem Betriebsstättenerlass von 1999. 
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