M&A Vocabulary – Experten verstehen: „Disclosures”

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zuletzt aktualisiert am 6. Juni 2019 | Lesedauer ca. 4 Minuten  

 

In dieser Fortsetzungsreihe stellen Ihnen wechselnde M&A-Experten der weltweiten Nieder­lassungen von Rödl & Partner jeweils einen wichtigen Begriff aus der englischen Fachsprache des Transaktionsgeschäfts vor, verbunden mit Anmerkungen zur Verwendung. Hierbei geht es nicht um wissenschaftlich-juristische Exaktheit, linguistische Feinheiten oder erschöpfende Darstellung, sondern darum, das Grundverständnis eines Terminus zu vermitteln bzw. aufzufrischen und einige nützliche Hinweise aus der Beratungspraxis zu geben.
 


 

In der Praxis zeigt sich immer wieder, dass die Bedeutung der Regelungen zu Offenlegungsmechanismen im Unternehmenskaufvertrag gerade von Akteuren mit kontinental-europäischem Rechtsverständnis erheblich unterschätzt und damit bei Vertragsgestaltung und –verhandlung vernachlässigt werden. Das hat insb. bei Transaktionen mit Parteien und Beratern aus Ländern des Common-Law-Systems auf der Verkäuferseite regelmäßig negative Folgen für den Käufer. In der dortigen Rechtstradition haben Offenlegungspflichten und -rechte eine wesentlich größere Bedeutung und werden als taktische Maßnahme aktiv zur Reduzierung des Haftungsrisikos eingesetzt.

Unter disclosures versteht man in der Regel die bewusste Offenlegung bestimmter Tatsachen durch die Verkäuferseite gegenüber dem Käufer, bzw. die so offenbarten Tatsachen selbst. Offenlegungs­pflichten und -rechte können sich sowohl aus dem Gesetz bzw. allgemeinen Rechtsgrundsätzen ergeben als auch auf diesbezüglichen vertraglichen Vereinbarungen beruhen. Hierbei gilt grund­sätzlich, dass der Käufer gegenüber dem Verkäufer keine Haftungsansprüche geltend machen kann für all jene Tatsachen, die der Verkäufer dem Käufer offengelegt (disclosed) hat, weil sie ab dem Zeitpunkt der Offenlegung als dem Käufer bekannt (und akzeptiert) gelten. 

Je nach Gesetzeslage und konkreter Vereinbarung im Kaufvertrag hat der Verkäufer also ein Interesse, für ihn nachteilige Tatsachen zu einem bestimmten Zeitpunkt aktiv offenzulegen – und damit einen Haftungs­ausschluss zu erwirken und/oder seiner Pflicht zur Offenlegung zu genügen – oder solche Tatsachen eher zu verschweigen.

Für den Käufer bietet die Offenlegung oftmals die letzte Chance, von der Transaktion Abstand oder auf die Konditionen der Transaktion Einfluss zu nehmen, weshalb – abhängig von den getroffenen Vereinbarungen – auch der Käufer ein Interesse am Erhalt der entsprechenden Informationen haben kann.

Dabei ist die Bandbreite von extrem käuferfreundlichen bis hin zu extrem verkäuferfreundlichen Regelungen sehr groß und die in den diversen Branchen und Ländern grundsätzlich akzeptieren Standards variieren teils erheblich.

So sind etwa einerseits Vereinbarungen, wonach der gesamte Inhalt des Datenraums als disclosure definiert wird möglich, andererseits finden auch Vertragsklauseln Verwendung, wonach der Daten­raum­inhalt keinerlei haftungsbeschränkende Wirkung entfalten soll.
 
Offenlegungen können z.B. als Anlagen zum Kaufvertrag (disclosure schedules) oder in einem separaten Dokument (disclosure letter), das bis zu einem bestimmten Zeitpunkt dem Käufer zugehen muss, erfolgen.

Folgende Fragen sind typischerweise Gegenstand der Vertragsgestaltung und -verhandlung:
  • In welcher Form muss eine Offenlegung erfolgen?
  • Bis zu welchem Zeitpunkt sollte (spätestens) eine solche möglich sein?
  • Welche konkreten Rechtsfolgen sind mit einer Offenlegung allgemein (general disclosures) und zu bestimmten Tatsachen (specific disclosures) verbunden (z.B. Ausnahmen zu Garantien)?
  • Wie konkret und detailliert müssen Offenlegungen erfolgen (fair disclosure)?

 

Aus der Perspektive des Käufers gilt es insb. darauf zu achten, dass dem Verkäufer die Möglichkeit genommen wird (bzw. nur unter sehr eng definierten Grenzen die Möglichkeit bestehen bleibt), Offenlegungen etwa mittels disclosure letter unter Einbeziehung eines disclosure bundle (also einer Vielzahl von beigefügten Dokumenten) erst nach der Vertragsunterzeichnung vorzunehmen.

Andernfalls droht das „Überfluten” mit Dokumenten kurz vor dem Vollzugstermin zur Herbeiführung eines Haftungsausschlusses – zu einem Zeitpunkt an dem eine tatsächliche Kenntnisnahme der Dokumente mangels Kapazitäten und Zeit nicht mehr möglich ist und der Käufer (abhängig von vereinbarten Rücktrittsrechten und Vollzugsbedingungen) oftmals auch gar keine Möglichkeit mehr hat, vom Vertrag zurückzutreten oder auf die Erwerbskonditionen Einfluss zu nehmen.

Deshalb bedürfen, aufgrund ihrer herausragenden und langwährenden Bedeutung im Haftungssystem von Unternehmenskäufen, Disclosure-Regelungen einer sorgfältigen Gestaltung durch erfahrene Hand und bei grenzüberschreitenden Transaktionen, die entsprechende Prüfung und Berücksichtigung aller anwendbaren Rechtsordnungen.

 

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Tobias Kohler

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