Das Lieferketten­sorgfalts­pflich­ten­ge­setz bei M&A-Transaktionen und gesellschaftsrechtlichen Strukturmaßnahmen

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zuletzt aktualisiert am 25. Oktober 2023 | Lesedauer ca. 5 Minuten

 

Seit dem 1. Januar 2023 verpflichtet das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) Unternehmen, die ihre Hauptverwaltung, Hauptniederlassung, ihren Verwaltungssitz oder ihren satzungsmäßigen Sitz in Deutschland haben und in der Regel mehr als 3.000 Mitarbeiter (ab 1. Januar 2024: mehr als 1.000 Mitarbeiter) im Inland be­schäf­ti­gen zur Wahrnehmung menschenrechtlicher und umweltbezogener Sorgfaltspflichten in ihren Lieferketten. Ausgemachtes Ziel der im Katalog des § 3 Abs. 1 LkSG ent­hal­te­nen Sorgfaltspflichten ist es, menschenrechtlichen und umweltbezogenen Risiken vorzubeugen, diese zu minimieren bzw. die Verletzung menschenrechtsbezogener oder umweltbezogener Pflichten zu beenden. Ergänzend treten die Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens sowie Dokumentations- und Berichtspflichten hinzu.



Nachfolgend sollen einige offensichtliche und weniger offensichtliche Berührungspunkte des LkSG im Zusammenhang mit M&A-Transaktionen und gesellschaftsrechtlichen Strukturmaßnahmen beleuchtet werden.


Die Zielgesellschaft im Fokus einer M&A-Transaktion

Beim Erwerb eines Unternehmens als klassischer Fall einer M&A-Transaktion steht zunächst die Ziel­ge­sell­schaft als etwaige Verpflichtete des LKSG im Mittelpunkt. Mögliche Risiken auf Ebene der Zielgesellschaft sind zunächst im Rahmen einer Due Diligence zu ermitteln. Dies kann auch dann der Fall sein, wenn die Ziel­ge­sell­schaft nur mittelbar betroffen ist, etwa weil sie durch vertragliche Verpflichtungen mit ihren Ab­neh­mer­un­ter­neh­men zur Einhaltung dem LkSG vergleichbarer Sorgfaltspflichten verpflichtet ist. Etwaige aufgedeckte Risiken aber auch unbekannte Risiken können im Kaufvertrag z.B. durch die Aufnahme von Freistellungen und/oder Garantien berücksichtigt werden. Die konkrete Ausgestaltung ist dabei von zahlreichen Aspekten abhängig und wird nicht zuletzt durch die konkrete Verhandlungsposition beeinflusst.


Weitere Berührungspunkte des LkSG bei M&A-Transaktionen und gesellschaftsrechtlichen Strukturmaßnahmen

Gleichermaßen zu bewerten sind etwaige Auswirkungen im Zusammenhang mit dem LkSG bei dem er­wer­ben­den bzw. veräußernden Unternehmen. Ganz ähnlich verhält es sich bei gesellschaftsrechtlichen Strukturmaßnahmen im Allgemeinen, z.B. bei einer Verschmelzung.

Insbesondere folgende Aspekte sollten dabei nicht außer Acht gelassen werden: 1. Ergeben sich Auswirkungen der jeweiligen Transaktion für die Eröffnung des Anwendungsbereichs des LkSG? 2. Soweit das LkSG an­wend­bar ist, bestehen Auswirkungen für die Wahrnehmung der Sorgfaltspflichten, insbesondere im sog. eigenen Geschäftsbereich?


1. Die Eröffnung des Anwendungsbereichs

Für die Eröffnung des Anwendungsbereichs des LkSG ist insbesondere die Bestimmung der Arbeitnehmerzahl von wesentlicher Bedeutung. Der Arbeitnehmerschwellenwert bestimmt sich im Ausgangspunkt anhand der Stammbelegschaft des jeweiligen Unternehmens. Maßgeblich ist unter Berücksichtigung von vergangenheits- und zukunftsbezogenen Aspekten eine Prognoseentscheidung hinsichtlich der zukünftigen Personal­ent­wick­lung. Miteinfließen können auch hinreichend konkrete Veränderungsentscheidungen über die Größe der Belegschaft.

Das LkSG enthält zudem eine sog. Konzernzurechnungsklausel. Danach sind in verbundenen Unternehmen die im Inland beschäftigten Arbeitnehmer sämtlicher konzernangehörigen Gesellschaften bei der Berechnung der Arbeitnehmerzahl der Obergesellschaft zu berücksichtigen.

Für die Bestimmung des Arbeitnehmerschwellenwerts von Bedeutung sind z.B. von der Unternehmensleitung bereits beschlossene Entscheidungen, die zu einer Reduzierung der Beschäftigtenzahl führen. Das ist nicht nur der Fall, wenn ein Stellenabbau beschlossen wurde, sondern kann auch durch die Veräußerung Tochter­ge­sell­schaf­ten eintreten, wenn deren Beschäftigte nach der Konzernzurechnungsklausel des LkSG bei der Ober­ge­sell­schaft zu berücksichtigen sind bzw. waren. Umgekehrt kann der Erwerb von Unternehmen und eine damit verbundene Steigerung der Beschäftigtenzahlen dazu führen, dass der Anwendungsbereich des LkSG, auch hier ggf. unter Berücksichtigung der Konzernzurechnungsklausel, eröffnet wird. Dies gilt auch dann, wenn sich die Beschäftigtenanzahl unmittelbar durch Verschmelzung einer anderen Gesellschaft auf die aufnehmende Gesellschaft erhöht.


2. Bestimmung des eigenen Geschäftsbereichs

Ist der Anwendungsbereich des LkSG bei der erwerbenden bzw. veräußernden Gesellschaft bzw. der von einer Strukturmaßnahme betroffenen Gesellschaft eröffnet, stellen sich auch für die Bestimmung des eigenen Geschäftsbereichs Fragen nach den Auswirkungen solcher Maßnahmen.

Der Begriff des eigenen Geschäftsbereichs ergibt sich als Folge der im LkSG angelegten Untergliederung der Lieferkette in verschiedene Teilbereiche: den eigenen Geschäftsbereich, den Bereich unmittelbarer Zulieferer und den Bereich mittelbarer Zulieferer. Je nach Einordnung ergeben sich verschiedene Sorgfaltspflichten bzw. variiert deren Umfang. Vereinfacht gesagt, sind im eigenen Geschäftsbereich und gegenüber unmittelbaren Zulieferern generell Sorgfaltspflichten wahrzunehmen, während dies gegenüber mittelbaren Zulieferern nur unter weiteren Voraussetzungen der Fall ist.

Der eigene Geschäftsbereich umfasst grundsätzlich jede Tätigkeit des Unternehmens zur Erreichung des Unternehmensziels. Zudem zählt in verbundenen Unternehmen zum eigenen Geschäftsbereich der Ober­ge­sell­schaft auch eine konzernangehörige Gesellschaft, wenn die Obergesellschaft auf die Tochtergesellschaft bestimmenden Einfluss ausübt. Eine solche Zurechnung ist anhand des konkreten Falls zu bestimmen. Von Bedeutung ist insbesondere die Möglichkeit der Obergesellschaft, Einfluss zu nehmen und ihre tatsächliche Ausübung. Die mehrheitliche oder vollständige Übernahme einer Zielgesellschaft ist ein gewichtiges Indiz dafür, dass eine Möglichkeit zur Einflussnahme besteht. Die Einflussnahme dürfte häufig dann tatsächlich ausgeübt werden, wenn die Obergesellschaft die Zielgesellschaft in den Unternehmensverbund eingliedert und z.B. Unternehmensrichtlinien auf diese erstreckt.

Ist eine erworbene Gesellschaft oder eine Tochtergesellschaft durch eine gesellschaftsrechtliche Struktur­maß­nah­me als Teil des eigenen Geschäftsbereichs i.S.d. LkSG zu qualifizieren, erweitert sich der Umfang der durch die Obergesellschaft wahrzunehmenden Sorgfaltspflichten entsprechend.
 

Umgehungsversuche

Die in Ziffer II. skizzierten Aspekte werfen zugleich die Frage auf, ob damit nicht auch Möglichkeiten bestehen, sich dem Anwendungsbereich des LkSG zu entziehen oder die durch das LkSG aufgestellte Untergliederung der Lieferkette zu unterlaufen.
 

1. Umgehung der Anwendungsbereichseröffnung?

Denkbar wären für die Eröffnung des Anwendungsbereichs grds. gesellschaftsrechtliche Versuche, z.B. zur Ausgliederung einzelner Geschäftsbereiche in eigenständigen Tochtergesellschaften, soweit die Beschäftigten der Tochtergesellschaften nicht unter Anwendung der Konzernzurechnungsklausel wiederum bei der Ober­ge­sell­schaft zu berücksichtigen sind.

Solche Versuche sind jedoch äußerst kritisch zu betrachten, denn auf europäischer Ebene laufen gegenwärtig die Verhandlungen über eine europäische Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf die Nachhaltigkeit. Diese Richtlinie ist im Ausgangspunkt mit dem LkSG vergleichbar, geht aber in weiten Teilen über das LkSG hinaus. Dies betrifft u.a. den Anwendungsbereich. Zwar ist die Richtlinie bisher nicht final verhandelt, es ist jedoch zu erwarten, dass insbesondere im Hinblick auf die Schwellenwerte der Beschäftigten strengere Voraussetzungen gelten werden, als dies bisher im LkSG der Fall ist. Etwaige Versuche, sich dem Anwendungsbereich eines zeitnah zu reformierenden LkSG zu entziehen, dürften sich damit als allenfalls kurzfristige Entziehung des Anwendungsbereichs darstellen.
 

2. Umgehung der Lieferkettenqualifikation?

Die durch den Gesetzgeber vorgenommene Untergliederung der Lieferkette in den eigenen Geschäftsbereich sowie das Handeln unmittelbarer Zulieferer und mittelbarer Zulieferer wirft die Frage auf, ob z.B. durch die Zwischenschaltung von Einkaufsgesellschaften eine Qualifikation eines unmittelbaren Zulieferers in einen mittelbaren Zulieferer erreicht werden kann.

Erwirbt die vom LkSG erfasste Gesellschaft ihre Produkte unmittelbar von einem Lieferanten, so ist dieser als unmittelbarer Zulieferer zu qualifizieren. Erwirbt die Gesellschaft hingegen über eine zwischengeschaltete Gesellschaft, vorausgesetzt diese gehört nicht zum eigenen Geschäftsbereich (vereinfachte Darstellung, im Einzelnen teilweise umstritten), ließe sich theoretisch eine Qualifikation des unmittelbaren Zulieferers als mittelbarer Zulieferer erreichen. Dies hätte zur Folge, dass Sorgfaltspflichten i.S.d. LkSG nur unter den Voraus­set­zun­gen des § 9 LkSG zu ergreifen wären.

Dieses Problem hat der Gesetzgeber jedoch unmittelbar gesehen und entsprechende Maßnahmen als Um­gehung erkannt. Mit der Folge, dass in einem solchen Fall ein mittelbarer Zulieferer als unmittelbarer Zu­lie­fer­er gilt.


3. Umgehungsmöglichkeit für ausländische Zweigniederlassungen

Eine Umgehungsmöglichkeit lässt das LkSG gegenwärtig tatsächlich zu. Ausländische Gesellschaften können erfasst werden, wenn Sie eine Zweigniederlassung in Deutschland haben. Da die Zweigniederlassung als solche nicht selbständig gegenüber der ausländischen Gesellschaft ist, kann Anknüpfungspunkt für die Eröffnung des Anwendungsbereichs nur die Mitarbeiterzahl der ausländischen Gesellschaft sein (umstritten). Verfügt die Zweigniederlassung selbst über nur wenige Mitarbeiter, ließe sich diese in eine selbständige Tochter­ge­sell­schaft überführen, die nur erfasst ist, wenn sie selbst die Schwellenwerte zur Anwendungsbereichseröffnung des LkSG erreicht. Angesichts der europäischen Rechtsentwicklungen ist jedoch auch hier der Mehrwert einer solchen Vorgehensweise offen, denn zukünftig wäre dann eine Anwendung des nationalen Gesetzes zur Umsetzung der europäischen Richtlinie im Staat der jeweiligen europäischen Gesellschaft von Bedeutung.


Fazit

Bei M&A-Transaktionen wie auch gesellschaftsrechtlichen Strukturmaßnahmen sollten auch etwaige Aus­wir­kun­gen auf die Eröffnung des Anwendungsbereichs des LkSG bzw. die Bestimmung des eigenen Ge­schäfts­be­reichs i.S.d. LkSG mitgedacht werden. Erwägungen zum Einfluss solcher Maßnahmen auf die Eröffnung des Anwendungsbereichs sind im Übrigen nicht nur auf das LkSG beschränkt, von wesentlicher Bedeutung sind diese etwa auch für die Frage der Mitbestimmung nach dem Drittelbeteiligungsgesetz bzw. dem Mit­be­stimmungs­ge­setz. Etwaige Umgehungsversuche sind im Rahmen des LkSG jedoch mit Vorsicht zu genießen. Zum einen hat der Gesetzgeber solche Versuche teilweise gesetzlich berücksichtigt, zum anderen ist aufgrund der europäischen Rechtsentwicklungen derzeit offen, wie sich die Gesetzeslage im Bereich der Liefer­ketten­re­gu­lie­rung in wenigen Jahren darstellt.
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