Sorgfalt in Lieferketten – Blick auf die Tschechische Republik

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veröffentlicht am 15. September 2022 | Lesedauer ca. 4 Minuten


Im Sommer 2021 verabschiedete die Bundesrepublik Deutschland ein Gesetz zur unternehmerischen Sorgfaltspflicht in Lieferketten (Lieferkettengesetz) und schließt sich damit anderen europäischen und außereuropäischen Ländern an (z.B. den Nie­derlanden, Großbritannien, USA), die diesen Bereich bereits geregelt haben. In der Tschechischen Republik hingegen gibt es derzeit keine umfassenderen Rechts­­vor­­schrif­­ten zu ethischen Regelungen und der Sorgfaltspflicht in Lieferketten.


Auch deshalb bemüht sich die EU angesichts ihrer Verpflichtung, für ihre eigenen Werte einzutreten und diese zu fördern, um eine Vereinheitlichung oder zumindest Harmonisierung der Rechtsvorschriften in den Mit­glieds­staaten zu gewährleisten.

Man kann jedoch nicht behaupten, dass sich die Tschechische Republik nicht mit diesem Thema befassen würde – eine wichtige Rolle hier spielt beispielsweise der „Rat für Qualität der Tschechischen Republik“, wenn auch noch nicht auf der Ebene von Rechtsvorschriften. Bei dem gegenständlichen Rat handelt es sich um ein Beratungs- und Koordinierungsgremium der tschechischen Regierung, das sich mit dem Thema der Corporate Social Responsibility (CSR) befasst. Der Rat für Qualität schlägt nationale CSR-Aktionspläne vor, die an­­schlie­ßend von der Regierung angenommen werden. Diese Pläne sollen die Basis für die Verbreitung und Förderung von Ideen rund um das Thema CSR in der tschechischen Wirtschaft bilden. Ziel ist es, das Bewusstsein für CSR in tschechischen Unternehmen zu schärfen. Teil der Agenda des Rates für Qualität der Tschechischen Republik ist auch ein Nationaler Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte, der für einen Zeitraum von fünf Jahren gilt und der direkt auf die Verflochtenheit von Wirtschaft und Menschenrechten abzielt.

Auch aus diesem Grund kommen in der Tschechischen Republik zunehmend verschiedene Formen der Prä­ven­tion unlauterer Praktiken in den Lieferketten zum Tragen, und auch die Nachhaltigkeit rückt immer mehr ins Blickfeld der Entscheidungsträger in Unternehmen.

Eine der häufigsten Formen der Prävention sind so genannte Ethische oder Verhaltenskodizes. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um Dokumente, die tschechische Unternehmen selbst erstellen und die bestimmte Grundsätze verankern, zu deren Einhaltung sie sich verpflichten. Dabei handelt es sich zumeist um Grundsätze im Bereich des Umweltschutzes und des Verhaltens in Geschäftsbeziehungen. Mit einem solchen Kodex kann sich ein Unternehmen aber auch verpflichten, beispielsweise keine Diskriminierung von Mitarbeitern in Lie­fer­ketten zu dulden, einen Verdacht auf Korruption zu melden oder Lieferanten und andere Geschäftspartner aus­zu­schlie­ßen, die in irgendeiner Weise in Geldwäsche oder Terrorismusunterstützung verwickelt sind.

In den meisten Fällen betreffen die gegenständlichen Kodizes jedoch den Schutz der Menschenrechte von Beschäftigten auf den „unteren Ebenen“ der Lieferkette. Mit diesen Dokumenten kann ein Unternehmen durchsetzen, dass ein Zulieferer die Rechte von Arbeitnehmern auf ein menschenwürdiges Arbeitsumfeld und angemessene Arbeitsbedingungen sowie auf Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz respektiert. So können beispielsweise angemessene Pausen zwischen den Arbeitsschichten oder angemessene sanitäre Be­din­gungen für die Beschäftigten durchgesetzt werden.

Verhaltenskodizes werden Verträgen zwischen Geschäftspartnern oder Lieferanten beigefügt, und mit der Un­ter­zeichnung des Vertrages, der den Kodex enthält, verpflichten sich beide Parteien, diesen einzuhalten.

Die Einhaltung eines Verhaltenskodexes kann durchgesetzt bzw. erzwungen werden. Meist geschieht dies, indem die Einhaltung der gegenständlichen Vorschriften direkt bei bestimmten Einrichtungen (Lieferanten usw.) überprüft wird. Diese Kontrollen können sowohl angekündigt als auch unangekündigt erfolgen. Der Abnehmer (das mit dem Lieferanten Handel treibende Unternehmen) kann die Kontrollen selbst vornehmen oder er kann sich unabhängiger Kontrollen bedienen. Unabhängige Kontrollen werden von verschiedenen, auch aus­län­di­schen Gesellschaften wie z. B. TÜV Süd oder Intertek, gewährleistet.

Werden bei Kontrollen Verstöße gegen die Regeln des Verhaltenskodexes festgestellt, hat das Unternehmen zwei Möglichkeiten: Die erste besteht darin, das Verhalten des Lieferanten zu korrigieren – zum Beispiel durch zusätzliche Schulungen. Oder es besteht die Möglichkeit, den Vertrag mit dem Lieferanten zu kündigen (wenn
z. B. eine Schulung nicht die gewünschte Wirkung erzielte).
 
Über die gesetzlichen Bestimmungen in der Tschechischen Republik hinaus gibt es bestimmte internationale Standards und Normen, die ebenfalls die CSR regeln, die jedoch nicht mehr verbindlich sind und von Un­ter­neh­men freiwillig eingehalten werden können. Einer dieser Standards ist etwa die dreigliedrige Grundsatzerklärung über multinationale Unternehmen (MNE-Erklärung). Diese soll insbesondere sicherstellen, dass Unternehmen auch internationalen Grundsätze der Arbeitsnormen einhalten (die z. B. UN-Resolutionen und UN-Leit­prin­zi­pien für Wirtschaft und Menschenrechte berücksichtigen).

Darüber hinaus sind viele tschechische Unternehmen in den Rahmen internationaler CSR- und Nach­hal­tig­keits­instrumente und -standards eingebunden. In dieser Hinsicht ist der Ende Februar 2022 von der Kom­­mi­s­sion vorgelegte Vorschlag für eine neue EU-Richtlinie zur unternehmerischen Sorgfaltspflicht im Bereich der Nachhaltigkeit auch für große Unternehmen in der Tschechischen Republik von entscheidender Bedeutung, insbesondere für große und multinationale Unternehmen mit einer bestimmten Anzahl von Mitarbeitern und einem weltweiten Jahresumsatz (150 Millionen Euro und mehr). Für diese Unternehmen wird die Richtlinie nicht nur die Verpflichtung zur Achtung der Menschenrechte, sondern auch zum Umweltschutz – auch in den Lie­fer­ketten – mit sich bringen.

Weitere internationale CSR-Programme und -Normen, die viele tschechische Unternehmen einhalten, sind die Zertifizierungsnorm SA8000 Standard, die bestimmten Bedingungen in den Bereichen Kinderarbeit, Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit und Diskriminierung am Arbeitsplatz festlegt, sowie die Em­pfeh­lungs­nor­men ISO 26000, ISO 9000 und ISO 14000.

Es ist somit offenkundig, dass tschechische Unternehmen zunehmend freiwillige Maßnahmen ergreifen, um Nachhaltigkeit und CSR umzusetzen und zu wahren. Dennoch sollte diese Problematik umfassender gesetzlich geregelt werden, sei es aus Gründen der besseren Durchsetzbarkeit oder zumindest einer deutlicheren Klarheit. Dabei ist davon auszugehen, dass sich die Tschechische Republik auf Grundlage der neuen EU-Richtlinie ne­ben Deutschland und andere Länder einreihen wird, die solche Gesetze bereits verabschiedet haben.

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