HIGH on crime: Strafrechtliche Fallstricke bei der Verwendung von Cannabidiol-Produkten

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veröffentlicht am 11. November 2020 | Lesedauer ca. 6 Minuten
von Florian Donath


Ob in der Drogerie, im Supermarkt oder in spezialisierten „Hanfläden”: die Herstellung und der Vertrieb von Produkten, in denen Cannabidiol (CBD) enthalten ist, floriert. Während in Gesellschaft und Politik weiterhin eine rege Diskussion darüber herrscht, ob Marihuana legalisiert werden sollte oder auch künftig nicht ohne behördliche Erlaubnis erworben, besessen oder verkauft werden dürfte, wächst die Anzahl an Produkten, die laut Hersteller Hanf enthalten und dennoch frei und ohne Nachweis eines expliziten Bedarfs verkauft werden dürfen. An den oft verdutzten Gesichtern der Kunden ist zu erkennen, dass eine grundsätzliche Skepsis vorherrscht, ob der Verkauf der Produkte legal und völlig ohne strafrechtliche Relevanz ist. Wie bei allen neu auftretenden Phänomenen ist die Antwort darauf nicht völlig ohne Weiteres zu geben. Aufschlussgebende Rechtsprechung existiert jedenfalls (noch) nicht, sodass eine juristische Spurensuche notwendig wird.



Was ist Cannabidiol und welche Auswirkungen hat der Stoff?

Cannabidiol (CBD) ist ein „nicht psychoaktives Cannabinoid aus dem weiblichen Hanf (Cannabis)” [1]. Der Stoff wird sowohl im medizinischen Bereich, z.B. bei der Behandlung von Multipler Sklerose, als auch in Lebens­mitteln oder sonstigen Produkten, wie Ölen verwendet. Während CBD nach Aussage von Verfechtern etwa bei Stress, Ängsten, Schmerzen, Entzündungen oder Übergewicht signifikante, positive Auswirkungen haben soll, sehen Kritiker den Stoff als reines „Placebo” an und verschieben die positiven Effekte rein in die Vermögens­sphäre der Hersteller und Händler. Ein unangefochtener Nachweis der Wirksamkeit von CBD ist bisweilen noch nicht öffentlich zugänglich, sodass über die mit dem Stoff versetzten Produkte wohl auch weiterhin gestritten werden kann.


Wie ist CBD rechtlich einzustufen?

Wer Cannabis hört, denkt unweigerlich an das Betäubungsmittelgesetz (BtMG). Bei CBD lohnt sich dennoch ein genauer Blick, denn so einfach und singular ist die Einstufung letzten Endes doch nicht:


Betäubungsmittelrecht

Zunächst ist der Blick in das Betäubungs­mittelrecht unumgänglich. CBD ist von Tetrahydrocannabinol (THC) zu unterscheiden, dass die psychoaktive Substanz aus der Gattung der Cannabispflanzen darstellt, bei deren Konsum eine berauschende Wirkung einsetzt [2].


CBD ist im Gegensatz zu THC nicht in den Anlagen zum BtMG genannt, sodass auf den ersten Blick der An­schein erweckt werden könnte, dass es sich dabei um eine legale Substanz handelt. Bei genauerem Hinsehen ist allerdings zu berücksichtigen, dass Cannabis in Anlage I zum BtMG als „Marihuana, Pflanzen und Pflanzen­teile der zur Gattung Cannabis gehörenden Pflanzen” definiert ist.


Sofern also Cannabis-Pflanzen oder nur Pflanzenteile in dem Produkt in verarbeiteter oder natürlicher Form enthalten sind, findet das Betäubungsmittelrecht grundsätzlich Anwendung. Pflanzenteile sind in dem Zusammenhang selbst nicht lebensfähige Teile der Pflanze, also z.B. Blätter, Blüten, Samen [3]. Vorsicht sollte man daher bei der Herstellung oder dem Kauf von Hanfblütentees oder Räuchermischungen walten lassen, da in den Produkten grundsätzlich noch Teile der Cannabispflanze enthalten sind.


Zwei Ausnahmen sind von dem grundsätzlich nach dem BtMG strafbaren Herstellen oder Erwerb von Produkten, die Pflanzenteile enthalten, allerdings gesetzlich vorgesehen:


  • Verwendung von Samen der Cannabispflanze

In Anlage I zum BtMG sind von einer betäubungsmittelrechtlichen Relevanz die Samen der Cannabispflanze ausgenommen, sofern sie nicht zum unerlaubten Anbau bestimmt sind. Im Umkehrschluss bedeutet die Ausnahme, dass Samen der Cannabispflanze also in Müslis, Gewürzen oder sonstigen Produkten enthalten sein dürfen, wenn dadurch nicht „durch die Hintertür” ein unerlaubter Anbau von Cannabis ermöglicht werden soll. Freilich ist das von keinem Produkthersteller lückenlos auszuschließen; es kommt dabei allerdings auf die Zielrichtung des Produkts an.


  • Verwendung von sog. Nutzhanf

Eine weitere Ausnahme gilt für Cannabispflanzen und daraus hergestellten Zubereitungen, die in EU-Ländern mit zertifiziertem Saatgut angebaut wurden oder deren THC-Gehalt 0,2 Prozent nicht übersteigt und der (Waren-)Verkehr damit ausschließlich gewerblichen oder wissenschaftlichen Zwecken dient.


Nutzhanf wird bspw. bei der Herstellung von Textilien oder Seilen eingesetzt. So soll Levi-Strauss seine erste Jeans aus Hanf hergestellt haben. Die Wahrscheinlichkeit des Gerüchts ist nicht völlig von der Hand zu weisen, zumal Levi’s auch heute damit wirbt, sog. kotonisierten (also durch chemische Behandlung die Beschaffenheit von Baumwolle gegebenen) Hanf in deren Jeans aus Nachhaltigkeitserwägungen zu verarbeiten.


In der obergerichtlichen Rechtsprechung hat man sich teilweise dergestalt geäußert, dass der ausschließlich gewerbliche oder wissenschaftliche Zweck auf beide Alternativen anzuwenden ist und daher immer im Vordergrund stehen muss. Sollte ein Produkt zwar einen geringeren Wirkstoffgehalt enthalten, aber nicht ausschließlich gewerblich genutzt werden, ist die Ausnahme nicht erfüllt. Der Ansicht ist nach dem Wortlaut der Ausnahme zunächst auch nicht zu widersprechen.


Hinzukommt allerdings, dass in Teilen der Rechtsprechung gefordert wird, dass beim Endbenutzer die rein gewerbliche oder wissenschaftliche Zwecksetzung vorliegen muss [4] . Das ist weder von der höchstrichter­lichen Rechtsprechung bislang bestätigt worden noch ist es zwangsläufig aus dem Gesetz entnehmbar. Da die Ansicht allerdings von mehreren Obergerichten bereits vertreten wurde, muss damit gerechnet werden, dass sich auch andere Gerichte im Zweifel daran orientieren (werden).


Wird ein Produkt hergestellt, das als „unbedenklich” eingestuft werden kann (z.B. Seile, Textilien, usw.), darf es als Konsumgut vertrieben werden, da es dann nicht mehr zu Rauschzwecken missbraucht werden kann [5].


Problematisch dabei ist – insbesondere bei der Herstellung von Lebensmitteln – ab wann ein Produkt die Eigenschaft als „unbedenklich” erreicht hat. Ein Graubereich bleibt daher trotzdem weiterhin bestehen. Es existieren zwar Meinungen, die sich an den Richtwerten orientieren, die vom Bundesinstitut für Risikobe­wertung (BfR) für den maximalen THC-Gehalt in Lebensmitteln ausgegeben werden. Allerdings hat sich die Ansicht noch nicht durchgesetzt, obgleich es wohl als die sinnvollste Alternative erscheint. Eine Unbedenk­lichkeit erst dann zu bejahen, wenn überhaupt kein in den Anlagen I bis III zum BtMG genannter Stoff mehr nachweisbar ist, dürfte hingegen zu weit gehen, da ansonsten durchaus die vom BfR geleistete Arbeit in der Hinsicht in Frage gestellt werden müsste.


Arzneimittelrecht

Die Frage, ob für CBD-Produkte eine arzneimittelrechtliche Relevanz gegeben ist, hängt zunächst maßgeblich davon ab, ob das betroffene Produkt überhaupt als Arzneimittel einzustufen ist. Die Beantwortung der Frage ist oftmals recht diffizil und muss anhand der Definitionen in § 2 Arzneimittelgesetz (AMG) erfolgen.


Der entscheidende Unterschied zwischen beiden Nummern in § 2 Abs. 1 AMG ist, ob das Mittel zur Heilung, Linderung oder zur Verhütung von Krankheiten oder Beschwerden bestimmt (Nr. 1) ist oder, ob aufgrund gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse das Mittel verabreicht wird, um physiologische Funktionen wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder eine medizinische Diagnose zu erstellen (Nr. 2).


Wie bereits erwähnt, ist derzeit noch keine Studie zugänglich, die die Wirksamkeit von CBD in der medizi­nischen Behandlung lückenlos belegt. Gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse existieren daher noch nicht. Sofern in Beipackzetteln, Verpackungen, Werbemitteln, etc. allerdings ein CBD-haltiges Mittel zur Heilung, Linderung oder Verhütung von Krankheiten oder Beschwerden angepriesen wird, ist wohl von einem (Präsentations-)Arzneimittel auszugehen, das zudem verschreibungs­pflichtig ist. Denn gemäß § 48 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AMG sind alle in Anlage I zur Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) genannten Stoffe oder Stoffzubereitungen oder Arzneimittel, die die dort aufgeführten Stoffe oder Stoffzubereitungen enthalten, verschreibungspflichtig. CBD ist in der Liste genannt.


Zu beachten ist insofern, dass Händler und auch Hersteller solcher Arzneimittel sich gemäß §§ 95 Abs. 1 Nr. 4, 43 Abs. 1 S. 2 AMG strafbar machen, wenn sie mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln unerlaubt Handel treiben oder sie an Verbraucher abgeben. Nach herrschender Ansicht ist für das Handeltreiben der Begriff aus dem BtMG heranzuziehen, der nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sehr weit auszulegen ist. So ist ein Handeltreiben bereits dann vollendet, wenn bei einem beabsichtigten Ankauf in ernsthafte Verhandlungen mit einem Verkäufer eingetreten wurde [6]. Täter können Apotheker, Ärzte, Tierärzte, pharmazeutische Unternehmer und Großhändler sein.


Lebensmittelrecht

Letztlich ist auch vor dem Hintergrund des Lebensmittelrechts ein genauer Blick auf CBD-haltige Produkte zu richten. Eine mögliche strafrechtliche Relevanz ergibt sich aufgrund der Strafvorschriften aus dem Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB), §§ 58 ff. LFGB. Daneben existiert eine Reihe weiterer Rechtsquellen, die in dem Zusammenhang Beachtung finden müssen.


Neben der Nahrungsergänzungsmittelverordnung (NemV), sind insbesondere auch die Vorschriften über neuartige Lebensmittel(-zutaten) entscheidend. Von zentraler Bedeutung ist die Strafbarkeit wegen des Inverkehrbringens neuartiger Lebensmittel bzw. die Verwendung neuartiger Lebensmittel auf oder in anderen Lebensmitteln, § 59 Abs. 3 Nr. 2 lit. a) LFGB i.V.m. § 1a Abs. 1 Neuartige Lebensmittel- und Lebensmittelzutaten-Verordnung (NLV) sowie Art. 6 Abs. 2 Novel-Food-Verordnung.


Als Täter kommen alle Hersteller und Händler der betroffenen CBD-haltigen Produkte in Betracht; eine Strafbarkeit des Erwerbs und/oder Besitzes der Lebensmittel sieht das Gesetz allerdings nicht vor. Voraussetzung ist selbstverständlich, dass es sich um ein neuartiges Lebensmittel handelt.


Lebensmittel definieren sich nach Art. 2 Lebensmittel-Basisverordnung als alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden. Dazu zählen auch u.a. Stoffe, die dem Lebensmittel bei seiner Herstellung oder Ver- oder Bearbeitung absichtlich zugesetzt werden. Sollte ein Produkt gleichzeitig als Lebens- aber auch Arzneimittel zu beurteilen sein, ist auf die überwiegende, objektive Zweckbestimmung abzustellen [7]. Für den Fall, dass das nicht mit Sicherheit gesagt werden kann, gilt der Vorrang des Arzneimittelrechts § 2 Abs. 3a AMG.


Die derzeit verbreitet erhältlichen Lifestyle-Produkte wie „Hanfkaugummi”, „Hanfeistee”, „Hanf-Cola”, „Hanfmüsli” etc. sind jedoch regelmäßig klar als Lebensmittel zu qualifizieren, sodass dann noch die Frage besteht, ob die Produkte als neuartig im Sinne der NLV anzusehen sind. In einer Vielzahl an Entscheidungen der Verwaltungsgerichte wurden bislang Aussagen dazu getroffen, unter welchen Voraussetzungen CBD-haltige Produkte auch als neuartig einzustufen sind. Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass alle die, als neuartig bewertete, Produkte CBD enthielten, das durch Extraktion gewonnen wurde [8]. Für die Fälle ist daher von einer Neuartigkeit im Sinne der NLV auszugehen.


Es ist daher in jedem Einzelfall genau zu prüfen, ob es sich um ein neuartiges Lebensmittel handelt, da für den Fall, dass die Frage bejaht werden muss, zwingend ein Zulassungsverfahren bzw. in Fällen der substantiellen Äquivalenz mit schon bekannten oder genehmigten Produkten ein Notifizierungsverfahren angestrengt werden muss, um eine Strafbarkeit durch das Inverkehrbringen auszuschließen.


Fazit

Der Verkauf und Vertrieb von CBD-haltigen „Hanfprodukten” ist derzeit hip. Gleichzeitig wird damit allerdings eine Grauzone beschritten, die erhebliche Risiken für die Hersteller und Händler der Produkte mit sich bringt. Solange das von Hans-Christian Ströbele in einem Interview vom 15. März 2003 mit dem Hanf-Magazin „grow” ausgegebene Postulat „Gebt das Hanf frei” [9] nicht vom deutschen Gesetzgeber umgesetzt wird, bleibt das strafrechtliche Haftungspotential weiterbestehen. Angesichts des geplanten Verbandssanktionen-Gesetzes sind die Haftungsrisiken erst Recht einzudämmen, da dann nicht mehr nur die im Amt befindliche Unterneh­mens­leitung von der strafrechtlichen Haftung betroffen wäre, sondern zudem auch das dahinterstehende Unternehmen selbst. Angesichts der im Regierungsentwurf zum Verbandssanktionengesetz enthaltenen, möglichen Sanktionen für das Unternehmen, ist tunlichst darauf zu achten, auch in dem Punkt „compliant” zu agieren. Manchmal ist es dann eben hipper auf riskante Geschäfte zu verzichten als dem aktuellen Hype nachzugeben und sich in unsicheres Fahrwasser zu begeben.


    
 

[1] Quelle: https://www.pharmawiki.ch/wiki/index.php?wiki=Cannabidiol, zuletzt aufgerufen am 12. Oktober 2020.
[2] Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Tetrahydrocannabinol, zuletzt aufgerufen am 12. Oktober 2020.
[3] Quelle: Weber, Kommentar zum Betäubungsmittelgesetz, § 2, Rn. 29.
[4] Quelle: zuletzt OLG Hamm, Urteil vom 21. Juni .2016, Az.: 4 RVs 51/16.
[5] Quelle: OLG, Hamm, s. oben.
[6] Quelle: BGHSt 50, S. 252.
[7] Quelle: OLG Hamburg, LMuR 2008, S. 128.
[8] Quelle: z.B. OVG Lüneburg, ZVertriebsR 2020, S. 40.
[9] Quelle: http://www.stroebele-online.de/presse/9952.html, zuletzt abgerufen am 13. Oktober 2020.
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