Sprachmittlung gestern und heute

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veröffentlicht am 10. August 2021 | Lesedauer ca. 3 Minuten

von Róża Zielnik-Kołodzińska

 
Die Sprachmittlung soll der zweitälteste Beruf der Welt sein. Es ist bekannt, dass das Übertragen gesprochener Texte, also das Dolmetschen, noch vor der Entstehung der Alphabete existierte. So kommt das Wort „Dolmetscher“ bereits in der Bibel vor, und zwar im 1. Buch Mose (Genesis) – dem ersten Buch des jüdischen Tanach wie auch des christlichen Alten Testaments. Die ältesten historischen Zeugnisse, die belegen, dass Menschen sich über Sprachmittlung verständigten, stammen aus der Pyramidenzeit. Damals wurde die Sprachmittlung in Grenzgebieten und in der zentralen Verwaltung benötigt. Dolmetscher nahmen an Kriegszügen und Missionen teil und sogar Christopher Columbus wurde auf seiner Reise in die Neue Welt von einem Dolmetscher begleitet.

  

  

Die Rolle des Sprachmittlers war komplex und ist es immer noch. Denn der Sprachmittler übersetzt nicht nur zwischen Sprachen, sondern auch zwischen Kulturen, Denk- und Ausdrucksweisen, Weltanschauungen… Es ist dabei nicht ausgeschlossen, dass ab und zu etwas verloren geht, aber absolute Verständigung ist wohl selten möglich, auch innerhalb derselben Sprache, ohne Vermittler, direkt zwischen zwei Personen. Ein gutes Beispiel hierfür sind die Kommentare zu Gesetzestexten – wären sie eindeutig formuliert, müssten sie nicht ausgelegt werden.

 
Die ersten Dolmetscher und Übersetzer mussten sich ihr Können selbst, mithilfe von Talent und Erfahrung, nach der Versuch-Irrtum-Methode erarbeiten. Zu Anfang beschäftigten sich mit der Sprachmittlung Personen, die mehrsprachig aufgewachsen waren, aber auch Sklaven, Kriegsgefangene, Missionare. Erst im 17. Jahrhundert wurde in Frankreich die erste Institution gegründet, in der Sprachmittler ausgebildet wurden. Auch Übersetzungshilfen, wie zum Beispiel Wörterbücher, gab es lange Zeit nicht, und auch heute ist es um gute Wörterbücher schlecht bestellt. Man könnte sogar sagen, dass es überhaupt keine guten Wörterbücher gibt, sondern nur „am wenigsten schlechte“. Der Grund dafür ist, dass Wörter ihre eigentliche Bedeutung erst im Kontext erlangen, der in solchen Nachschlagewerken nicht oder nur begrenzt berücksichtigt wird.

 
Sprachmittlung war vor den Zeiten des Internets sehr zeitaufwendig. Insbesondere das Blättern in Papierlexika, der beschränkte Zugang zu Nachschlagewerken oder Paralleltexten (z.B. war es notwendig, eine Bibliothek aufzusuchen) machten das Übersetzen zu einem langwierigen Prozess. Heute sind im Internet sowohl maschinelle Übersetzungen zugänglich, als auch traditionelle Wörterbücher in digitalisierter Form und sogar ganze Textabschnitte, mit deren Hilfe sich nicht nur einzelne Wörter sondern auch ihr Kontext überprüfen lassen. Übersetzer und Dolmetscher haben Zugang zu Texten aus den verschiedensten Bereichen, insbesondere auf den Internetseiten internationaler und supranationaler Organisationen, aber auch international agierender Unternehmen aus allen denkbaren Branchen, deren Homepage oft in mehreren Sprachversionen abrufbar ist. Das Digitale hat das Papier verdrängt, weil es schneller, bequemer und auch aktueller ist. Wer z.B. den Genitiv eines Wortes im Duden überprüfen will, tut das lieber auf der Website des Wörterbuchs, als zur Papierversion zu greifen.

 
Vor dem Hintergrund der Digitalisierung und der Entwicklung künstlicher Intelligenz stellt sich die Frage, wie die Zukunft der Sprachmittler aussehen wird. Nicht selten wird prophezeit, dass der beinahe älteste Beruf der Welt angesichts des technischen Fortschritts bald aussterben wird. Nun, es stimmt, dass sich die Arbeitswelt im Wandel befindet. Aber Veränderungen haben Sprachmittler schon von jeher begleitet, und immer wieder konnten sich Dolmetscher und Übersetzer die neuen Entwicklungen zu Nutze machen. Unbestritten macht die maschinelle Übersetzung große Fortschritte. Enorme digitale Datenbestände, sprachregelbasierte Systeme und neuronale Netzwerke sorgen dafür, dass die Übersetzungen heutzutage viel besser sind als noch vor ein paar Jahren. Das Problem ist aber, dass die Benutzer dieser Werkzeuge terminologische Fehler, falsche Bezüge und fehlerhafte kontextuelle Zuordnungen meist nicht erkennen (siehe unseren Text zur maschinellen Übersetzung Erfolgreich übersetzen - Mensch oder Maschine?). Wenn es darauf ankommt – wie zum Beispiel bei rechtlichen Zusammenhängen, im Gesundheitswesen, im Geschäftsleben – sind jedoch Profis gefragt, die aufgrund ihrer Ausbildung und Erfahrung dafür sorgen, dass ein Kommunikationsakt zustande kommt: der Empfänger der Nachricht muss das verstehen, was ihr Sender auch meinte.

  

Nur auf diese Weise lassen sich gravierende Fehler vermeiden, die den Geschäftserfolg, das Image eines Unternehmens und in bestimmten Fällen sogar die menschliche Gesundheit und menschliches Leben gefährden können. Denn Dolmetschen und Übersetzen besteht eben nicht in der Wiedergabe der gleichen Wörter in einer entsprechenden (grammatischen) Reihenfolge in der Zielsprache. Es handelt sich vielmehr um einen Prozess, in dem der Sprachmittler den Ausgangstext analysiert und versteht und anschließend das Gemeinte in Bezug auf die gegebene Situation mit anderen Worten (in einer anderen Sprache) wiedergibt. Dieses Element des Übersetzens und Dolmetschens ist über die Jahrtausende hinweg gleich geblieben, geändert haben sich nur die Arbeitsmethoden. Aber diese Veränderung lässt sich auch in anderen Metiers beobachten. Internet und Digitalisierung haben nicht nur das Leben der Dolmetscher und Übersetzer vereinfacht. Viele Berufe profitieren von den neuen Möglichkeiten, vor allem vom schnelleren Zugang zu Informationen, so auch Juristen, Wirtschaftsprüfer oder Buchhalter. Dennoch wird kaum jemand es ernstlich für möglich halten, dass diese Berufe obsolet werden könnten.

 
In ähnlicher Weise wird sicherlich die Spezifik der Tätigkeit der Übersetzer und Dolmetscher sorgen, dass der zweitälteste Beruf der Welt fortbestehen und weiterhin gebraucht werden wird.

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