Unternehmenskauf aus der Insolvenz als Chance

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zuletzt aktualisiert am 2. Februar 2022 | Lesedauer ca. 2 Minuten


Im Gegensatz zum oftmals zeitaufwendigen und kapitalintensiven Erwerb eines Wett­bewerbers oder Anrainers, kann der Kauf aus der Insolvenz eine schnelle und preis­optimierende Alternative sein. Die Attraktivität von Übernahmen insolventer deutscher Unternehmen zeigt sich am verstärkten Interesse europäischer und amerikanischer Investoren in den letzten Jahren. Hauptmotive waren der Zugang zu europäischen Märkten sowie zu Technologien und dem Know-how.
 

 

Das zunehmende Interesse am Erwerb insolventer Gesellschaften liegt auch darin begründet, dass die Sanierung und Fortführung des Unternehmens im Mittelpunkt der gesetzlichen Rahmenbedingungen stehen. Alle Stakeholder, insbesondere Kunden und Mitarbeiter, werden zeitnah informiert und in das Verfahren eingebunden, wodurch sich ein möglicher Imageschaden deutlich reduzieren lässt. Neben einer höheren Befriedigung der Gläubiger, sind der Erhalt von möglichst vielen Arbeitsplätzen sowie der Fortbestand des Unternehmens primäre Ziele des Insolvenz­verwalters.

Übernahmen von insolventen Unternehmen weisen eine Reihe von Besonderheiten auf, die durch den Erwerber zentral gesteuert werden müssen. Neben insolvenzrechtlichen Sonderregelungen, führen unterschiedliche Interessenslagen von Banken, Mitarbeitern, Gewerkschaften, Kunden, Lieferanten und Vermietern/­Leasing­gebern zu einer hohen Komplexität im Transaktionsprozess. Darüber hinaus herrscht üblicherweise ein deutlich größerer Zeitdruck (3 bis 4 Monate) als in normalen M&A-Prozessen (9 bis 12 Monate). Üblich ist eine übertragende Sanierung in Form eines Asset Deals. Dabei werden die betriebsnotwendigen Vermögenswerte an eine Auffanggesellschaft („NewCo”) des Erwerbers übertragen. Zudem können die Vermögenswerte grundsätzlich mit erheblichen Abschlägen und ohne finanzielle Altlasten – wie Bankverbindlichkeiten oder Pensionsverpflichtungen – übernommen werden.

Mithilfe des insolvenzrechtlichen Handwerkszeugs können bei der Restrukturierung zudem Personal­anpassungen vereinfacht umgesetzt und ungünstige Vertragsverpflichtungen (z.B. teure Leasingverträge) vorzeitig beendet werden. So können im Personalbereich mit einem schlüssigen Erwerberkonzept oder einer Transfergesellschaft die Reorganisation des Zielunternehmens nach den Vorstellungen des Erwerbers vorgenommen und das arbeits­rechtliche Risiko deutlich limitiert werden. Die Reform des Insolvenzrechts 2012 durch das ESUG bietet weitere Perspektiven und Spielräume für Investoren. Zu den wichtigsten Neuerungen seit Inkrafttreten zählen die Einführung des vorläufigen Eigenverwaltungsverfahrens (§270 a InsO), des Schutzschirmverfahrens (§270 b InsO), die Einrichtung eines einflussreichen vorläufigen Gläubigerausschusses sowie der Debt-to-Equity-Swap. Der danach zulässige Eingriff in die Gesellschafterrechte sowie die mögliche Durchführung eines Debt-to-Equity Swaps erleichtern die Sanierung durch die Umsetzung eines Insolvenz­planverfahrens. Durch Einstieg und Finanzierung des Insolvenzplans können Investoren dabei bis zu 100 Prozent der Geschäftsanteile des sanierten Schuldnerunterneh­mens übernehmen. Der Rechtsträger bleibt in dem Fall – im Gegensatz zum Asset Deal – bestehen. Fast zehn Jahre nach Inkrafttreten hat sich die Insolvenzrechtsreform ESUG in der Praxis etabliert. Nach der 5. Auflage der ESUG-Studie gab die große Mehrheit (94 Prozent) der rund 2.300 Befragten an, bereits Erfahrungen mit einer vorläufigen Eigenverwaltung gesammelt zu haben. Erfahrungen mit Schutzschirmverfahren und vorläufigen Gläubigeraus­schüssen haben bereits 90 Prozent der befragten Gläubiger, Insolvenzverwalter, Rechtsanwälte, Richter, Investoren und Manager gesammelt. Die Akzeptanz gegenüber der Insolvenz als Sanierungsmaßnahme hat somit ihren Höchststand erreicht.

Im Vergleich zu ausländischen Investoren oder Finanzinvestoren verfügen deutsche Mittelständler generell über Wettbewerbsvorteile im Transaktionsprozess. Zum einen können sie – anders als ausländische Strategen – deutlich besser mit dem Zeitdruck umgehen, da in den meisten Fällen eine umfassende Due Diligence nicht erforderlich ist und das Integrationsrisiko allgemein geringer ausfällt. Darüber hinaus fallen sprachliche Barrieren weg. Zum anderen bietet man im Gegensatz zu Finanzinvestoren eine erhöhte Transaktions­sicherheit, da i.d.R. eine Finanzierung der künftigen Gesellschaft (Betriebsmittellinie) aus Bordmitteln gestellt werden kann und nicht erst durch externe Finanzpartner bzw. Banken arrangiert werden muss.

Der Kauf eines Unternehmens aus der Insolvenz kann Ihnen somit wesentliche Chancen und Vorteile bieten, wenn es gelingt, die Komplexität im Erwerbsprozess zu reduzieren sowie mögliche Risiken zu antizipieren. Die zentrale Steuerung des Erwerbsprozesses durch einen insolvenzerfahrenen M&A-Berater kann dabei ein entscheidendes Momentum bieten.

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Björn Stübiger

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