Verrechnungspreisdokumentation – OECD-Masterfile und Country-by-Country Reporting ante portas

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Die Dokumentation von Verrechnungs­preisen ist bereits ein etabliertes Thema – in Deutschland und international. Jedoch ließ die OECD im Rahmen ihres Aktionsplans „Base Erosion and Profit Shifting”, kurz BEPS, sie in einem ganz neuen Licht erscheinen. Neben der Sicherstellung, dass Verrechnungs­preise fremd­vergleichs­konform festgelegt wurden, soll die Verrechnungs­preis­dokumentation dazu dienen, den Finanz­behörden eine detaillierte Risiko­über­prüfung und -beurteilung der Verrechnungs­preise zu ermöglichen und somit eine noch höhere Transparenz zu schaffen – ein Paradigmenwechsel?
 

3-gliedriger Ansatz der Verrechnungspreisdokumentation

Die Dokumentationsanforderungen sollen künftig durch einen 3-gliedrigen Ansatz („three-tiered approach”) verwirklicht werden:
  • Masterfile (Stammdokumentation)
  • Local file (Gesellschaftsspezifische Dokumentation)
  • Country-by-Country Reporting (Länderbezogene Berichterstattung)

 

Gesetzentwurf zum Masterfile-Ansatz

Am 1. Juni 2016 hat das Bundes­ministerium der Finanzen (BMF) den Referenten­entwurf des „Gesetzes zur Umsetzung der Änderungen der EU-Amtshilfe­richtlinie und von weiteren Maßnahmen gegen Gewinnkürzungen und -verlagerungen” veröffentlicht. Der Entwurf zielt darauf ab, der Ausnutzung unterschiedlicher Steuersysteme durch multinationale Unternehmen entgegenzuwirken und dadurch den unfairen Steuerwettbewerb einzudämmen. Insbesondere sollen mit dem Referenten­entwurf die Empfehlungen des BEPS-Projekts der OECD sowie die Änderungen der EU-Amtshilferichtlinie realisiert werden. Wesentlich sind die Umsetzung des OECD-Masterfile-Konzepts sowie die Einführung des Country-by-Country Reportings (CbC Reporting). Die Änderungen vollziehen sich in § 90 Abs. 3 AO sowie in § 138a AO.

 

Implementierung des Masterfile-Konzepts

Im Hinblick auf die Aufzeichnungspflichten müssen von nun an Unternehmen, die einer multinationalen Unternehmensgruppe angehören und im Vorjahr einen Umsatz von mindestens 100 Mio. Euro erwirtschaftet haben, neben den bisherigen Aufzeichnungen einen „Überblick über die Art der weltweiten Geschäftstätigkeit der Unternehmensgruppen und über die von ihr angewandte Systematik der Verrechnungspreisbestimmung” (sog. Masterfile) beifügen. Die Grenze von 100 Mio. Euro berücksichtigt hierbei sowohl Umsätze mit nahestehenden Gesellschaften als auch mit fremden Dritten und bezieht sich nach aktuellem Wortlaut auf Einzelgesellschaftsebene (§ 90 Abs. 3 AO). Ob die Formulierung bewusst so gewollt war, erscheint zumindest zweifelhaft, da sonst auch große Unternehmensgruppen u.U. kein Masterfile zu erstellen haben werden. Die Anforderungen für die Erstellungspflicht des Masterfiles müssen allerdings auch unter Berücksichtigung der ausländischen Rechtsauslegung gesehen werden. Die Vorlageverpflichtung trifft die jeweilige Landesgesellschaft, sodass sie selbst bei einer Nicht-Überschreitung der deutschen Grenze von 100 Mio. Euro zu einer Aufzeichnung verpflichtet wäre. Da das Masterfile i.d.R. nur durch die Konzernobergesellschaft erstellt werden kann, dürfte der Schwellenwert für aus Deutschland heraus beherrschte Unternehmensgruppen praktisch irrelevant bleiben.

 

Erstellungspflicht des Country-by-Country Reportings

Durch die Neueinführung des § 138a AO zu Mitteilungspflichten multinationaler Unternehmen folgt die deutsche Finanzverwaltung den Erläuterungen des finalen Berichts zu Aktionspunkt 13 der OECD. Die Neuregelung betrifft lediglich Unternehmen, die im vorangegangenen Wirtschaftsjahr einen konsolidierten Konzernumsatz von mindestens 750 Mio. Euro ausgewiesen haben und der Konzernabschluss mindestens ein ausländisches Unternehmen oder eine ausländische Betriebsstätte umfasst. Betroffene deutsche Konzerne sind demnach zur Erstellung und Übermittlung eines länderspezifischen Berichts (CbC Reporting) an das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) verpflichtet. So sind Informationen zu
  • Einkünften
  • Vorsteuergewinnen
  • bereits gezahlten und zurückgestellten Ertragssteuern
  • dem ausgewiesenen Kapital
  • einbehaltenen Gewinnen
  • Beschäftigungsdaten sowie
  • materiellen Vermögenswerten aufzuzeigen.

     

Die Übermittlung der entsprechenden Informationen hat bis spätestens ein Jahr nach Ablauf des betreffenden Wirtschaftsjahres zu erfolgen.

 

Die Anwendung der ergänzenden Verrechnungspreisregelungen ist grundsätzlich für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31. Dezember 2015 beginnen, bei gleichzeitiger Erfüllung der Schwellenwerte verpflichtend umzusetzen.

 

Bewertung

Sehr viel stärker als der bisherige Dokumentations­ansatz wird das künftige 3-gliedrige Masterfile-Konzept auf Transparenz ausgerichtet sein. Das Masterfile selbst sowie das CbC Reporting werden dabei in einen zwischenstaatlichen Informations­austausch eingebettet werden: Der Steuerpflichtige stellt dem Ansässigkeitsstaat im Rahmen der Dokumentation bestimmte Unternehmens­informationen zur Verfügung, die der Ansässigkeits­staat wiederum mit den weiteren betroffenen Staaten austauscht. Dadurch entsteht auch gegenüber den ausländischen Finanzverwaltungen eine stärkere Transparenz, so dass zu erwarten ist, dass insbesondere bei den Schwellenländern Begehrlichkeiten geweckt werden, einen größeren Anteil vom globalen Steuerkuchen zu vereinnahmen. Es erscheint absehbar, dass dadurch Verrechnungs­preis­streitig­keiten international zunehmen werden. Zugleich besteht die Gefahr, dass Geschäftsgeheimnisse an Konkurrenten gelangen, wenn Finanzdaten und Informationen über die Wertschöpfungs­prozesse in der Dokumentation künftig stärker offengelegt werden (müssen) und es ausländische Finanzverwaltungen mit dem Steuergeheimnis möglicherweise nicht ganz so genau nehmen. In der Praxis könnte zudem die Gefahr bestehen, dass die Finanzv­erwaltungen die im CbC Reporting aufbereiteten Daten über die reine Risikobeurteilung hinaus für Zwecke einer formelhaften Gewinnaufteilung anhand der ausgewiesenen Kennziffern verwendet werden. Dem Local file, das die Ausführungen der Masterfile-Dokumentation mit den transaktionsbezogenen Detailinformationen ergänzt, wird daher eine große Bedeutung zukommen, um unerwünschte Schlussfolgerungen aus diesen Indikatoren gar nicht erst aufkommen zu lassen. Der künftige Dokumentationsansatz wird ferner auch die Sicherung der Vertraulichkeit innerhalb des Konzerns erschweren. Zudem muss auch davon ausgegangen werden, dass sich Betriebsprüfer künftig grundsätzlich stärker für konkrete Unternehmens­kenn­ziffern interessieren werden – und das unabhängig von bestimmten Unternehmens­größen.

 

Unternehmen stehen vor neuen Herausforderungen

Die Anforderungen an die Dokumentation von Verrechnungspreisen sind in Deutschland seit der gesetzlichen Einführung von Dokumentations­vorschriften 2003 regelmäßig Gegenstand von Diskussionen. Aktuell stehen Unternehmen in dem Zusammenhang jedoch vor neuen Herausforderungen. Die Dokumentations­anforderungen werden in Deutschland und international durch die jeweiligen Gesetzgeber zeitnah umgesetzt werden. Die erhöhten Anforderungen bei der Beschaffung und Aufbereitung von Informationen werden sich auf die bisherigen länderübergreifenden Dokumentationsprozesse erheblich auswirken. Dadurch wird sich nicht nur das gewohnte Dokumentationsformat ändern. Es muss auch der generelle Ansatz einer international abgestimmten und konsistenten Dokumentationserstellung innerhalb der gesamten Unternehmens­gruppe neu definiert werden. Unternehmen sollten sich schon heute mit dem Thema auseinandersetzen, um so bestehende Prozesse rechtzeitig anzupassen.

 
zuletzt aktualisiert am 24.08.2016
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