Coronavirus in Italien: Konsequenzen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer

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​veröffentlicht am 28. Februar 2020 | Lesedauer ca. 3 Minuten

 

Mit der schnellen Ausbreitung des Coronavirus ergeben sich ungewohnte Fragestellungen im Bereich Arbeitsrecht, die nicht immer einfach zu beantworten sind. Muss der Arbeitgeber den in Quarantäne befindlichen Arbeitnehmern ihr Gehalt bezahlen? Ist es gerechtfertigt, der Arbeit aus Angst vor einer Ansteckung fernzubleiben? Was ist die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers? Nachfolgend versuchen wir – soweit möglich – die häufigsten Fragestellungen zu beantworten.

 

 

   

Unterbrechung der Arbeitstätigkeit aufgrund behördlicher Anweisung

Mit Bezug auf die in den Gemeinden der sogenannten „roten Zone" (Bertonico; Casalpusterlengo; Castel­gerundo; Castiglione D'Adda; Codogno; Fombio; Maleo; San Fiorano; Somaglia; Terranova dei Passerini; Vo') wohnhaften Arbeitnehmer, hat das italienische Gesundheitsministerium mittels Dekret entschieden, dass die Ausübung sämtlicher Arbeitstätigkeiten (ausgenommen Versorgungsbetriebe und Leistungen essentieller Natur, die in den Zonen angeboten werden müssen sowie Tätigkeiten, die von zu Hause durchgeführt werden können) suspendiert, d.h. unterbrochen ist.

 

Diese Anweisung ist zeitlich begrenzt, gilt aber auch für Arbeitnehmer, die innerhalb der roten Zone wohnen, ihrer Arbeit aber außerhalb derselben nachgehen.

 

Die bindende Unterbrechung der Arbeitstätigkeit hat der Arbeitgeber nicht zu verantworten, weswegen letzterer grundsätzlich für den ent­sprechenden Zeitraum von der Pflicht zur Zahlung des Gehalts und der Sozialabgaben befreit ist. Es gelten allerdings folgende Ausnahmen:

 

  1. Krankheitsfall: Die betroffenen Arbeitnehmer werden nicht automatisch als krank behandelt, da eine Krank­heit nur gegeben ist, wenn Grippesymptome diagnostiziert werden (und über ein ärztliches Attest nachgewiesen werden.)  Sollte ein Arbeitnehmer tatsächlich krank sein, steht ihm sein Gehalt zu, das er zum Teil vom Arbeitgeber und zum Teil von der Sozialfürsorgeanstalt I.N.P.S. ausgezahlt bekommt, wie es im Krankheitsfall üblich ist;
  2. Urlaub/bezahlte Freizeit: Es steht den Arbeitnehmern frei, Urlaub oder bezahlte Freistellungstage zu nehmen und ihr Gehalt entsprechend weiter zu beziehen;
  3. Smart Working: Auf der Grundlage eines am 25. Februar 2020 erlassenen Dekrets des italienischen Ministerpräsidenten ist es allen in den Regionen Emilia Romagna, Friaul-Julisch Venetien, Lombardei, Piemont, Venetien and Ligurien ansässigen Unternehmen sowie den dort wohnhaften Arbeitnehmern erlaubt, auch ohne entsprechende Vereinbarung auf experimenteller Basis bis zum 15. März 2020 die Arbeitstätigkeit in der Form des sog. smart working (Home-Office) auszuüben.
    In diesen Fällen sind die individuellen Vereinbarungen, die im Normalfall bei Home-Office Tätigkeiten den Arbeitsbehörden übermittelt werden müssen, durch einfache Eigenerklärungen ersetzt, mit denen bestätigt wird, dass der entsprechende Arbeitnehmer oder das Unternehmen in einer der zuvor genannten Regionen ansässig ist.

 

Schließlich hat das italienische Arbeitsministerium klargestellt, dass nicht ausgeschlossen ist, dass Unter­nehmen auf Institute der Kurzarbeit zurückgreifen (etwa die sog. CIGO – Cassa Integrazione Guadagni Ordinaria, was mit Lohnausgleichskasse übersetzt werden kann): Arbeitgeber können somit je nach Fall bewerten, ob es zum Beispiel sinn­voll ist, die Produktion auszusetzen und Kurzar­beit bzw. die Gewährung der Lohnausgleichskasse CIGO zu beantragen.

 

Die CIGO ist allerdings nicht auf alle Unternehmen bzw. Arbeitnehmer anwendbar (leitende Angestellte sind beispielsweise ausgenommen). Daneben kann über dieses Institut maximal ein Lohnausgleich von 80% des normalen Gehalts der betroffenen Arbeitnehmer erreicht werden, wobei hier auch Maximalbeträge gelten, was bedeutet, dass Arbeitnehmer höherer Einkommensklassen größere Einbußen hinnehmen müssten.

 

Arbeitnehmer in Quarantäne

Arbeitnehmer mit Symptomen, die einer Erkrankung mit dem Coronavirus entsprechen, sind unter ärztliche Beobachtung zu stellen und werden wie in einem normalen Krankheitsfall vergütet. Dasselbe gilt im Falle einer Quarantäne, auch wenn der Arbeitnehmer keine Symptome zeigt aber ein ärztliches Attest vorliegt.

  

Freiwillige Unterbrechung der Arbeitstätigkeit durch Arbeitgeber

Sollte ein Arbeitgeber, der hierzu nicht verpflichtet ist, als Vorsichtsmaßnahme (d.h. im Hinblick auf eine Reduzierung der Ansteckungsgefahr) aus eigener Entscheidung die Arbeit unterbrechen oder zurückfahren, ist er grundsätzlich dazu verpflichtet, die Arbeitnehmer weiter zu vergüten, unabhängig davon, ob letztere Arbeitstätigkeiten ausüben oder nicht.

 

Da aber die Erbringung der Arbeitsleistung im Rahmen des smart working (Home-Office) generell erlaubt wurde, auch ohne dass hierüber eine entsprechende Individualvereinbarung getroffen wurde, hat der Arbeit­nehmer, wenn der Arbeitgeber ihm aufgibt bzw. Ihn dazu autorisiert, seine Arbeit von zu Hause auszu­üben, seiner Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleitung von zu Hause entsprechend nachzu­kommen.

 

Hier sind zwei Szenarien denkbar:

  1. Erbringt der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung von zu Hause, wie es ihm von Arbeitgeber aufgegeben bzw. genehmigt wurde, so erhält er sein normales Gehalt;
  2. Erbringt der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung hingegen nicht, obwohl es technisch auch von zu Hause möglich wäre, gilt er als gerechtfertigt abwesend, ihm steht allerdings kein Gehalt zu (ausgenommen er nimmt Urlaub oder bezahlte Freizeit oder der Arbeitnehmer ist krank).

 

Abwesenheit von der Arbeit wegen Angst vor einer Ansteckung

Falls der Arbeitgeber die Ausführung der Arbeitstätigkeiten durch smart-working nicht genehmigt hat, hat ein Arbeitnehmer, der selbstständig beschließt, der Arbeitstätigkeit nicht nachzugehen (z. B. aus Angst, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen und angesteckt zu werden), keinen Anspruch auf Vergütung. Daneben kann seine Abwesenheit auch als ungerecht­fertigt angesehen werden, mit daraus resultierenden, möglichen Disziplinarmaßnahmen.

 

Die Anwendung einer Disziplinarmaßnahme könnte in diesen Fällen jedoch als unverhältnismäßig angesehen werden. Aus dem Grund halten wir es für ratsam, angesichts der verständlichen Angst der Arbeitnehmer um ihre eigene Gesundheit und die ihrer Familien, keine Disziplinarmaßnahmen vorzunehmen, sondern sich auf die Nichtzahlung der Vergütung zu beschränken.

 

Die Situation sollte mit Vorsicht und jeweils einzelfallbezogen beurteilt werden, da die Abwesenheit vermutlich nicht als ungerechtfertigt beurteilt werden kann. In der aktuellen Situation ist das Verhalten sicherlich nicht als völlig irrational zu bewerten (gerechtfertigte unbezahlte Abwesen­heit ohne disziplinarische Relevanz).

 

Darüber hinaus kann in bestimmten Fällen das Verhalten des Arbeitnehmers als ein ihm zustehendes Recht zu betrachten sein (wenn es etwa von Ärzten in Bezug auf seinen spezifischen Gesundheitszustand – Vorerkrankungen etc. – empfohlen wird), was auf der Grundlage des Tarifvertrags im jeweiligen Sektor zum Rück­griff auf bezahlte freie Stunden aus persönlichen oder gesundheitlichen Gründen führen könnte.

 

Schließlich haben Arbeitgeber, die ihre Arbeitsaktivitäten in Gebieten mit Ansteckungsrisiken nicht unter­brechen bzw. smart-working nicht genehmigen, dafür zu sorgen, dass die Gesundheits- und Sicherheitsrisiken in Bezug auf die Arbeitnehmer entsprechend bewertet werden und ggf.  – sofern konkrete Ansteckungsrisiken bestehen – erforderliche  Schutzausrüstungen (wie z. B. Einwegmasken, Latexhandschuhe, Desinfektions­mittel, usw.) – auch auf Grundlage der Angaben des Verantwortlichen für die Sicherheit am Arbeitsplatz – zur Ver­fügung gestellt werden. 

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