Unternehmenskauf in der Krise: Der richtige Zeitpunkt für die Übernahme

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zuletzt aktualisiert am 7. Juli 2021 | Lesedauer ca. 4 Minuten


Geraten Unternehmen in die Krise, bietet sich für Investoren oder liquiditätsstarke Wettbewerber die Chance, einen Teil oder alle Anteile an dem Unternehmen oder alternativ einzelne Vermögenswerte zu erwerben. So können ggf. durch vergleichs­weise günstige Konditionen Marktchancen ausgebaut sowie wichtige Vertragspartner vor dem Ausfall ihrer Forderungen bewahrt werden. Unternehmenskäufe in der Krise eines Unternehmens bergen aber erhebliche Fallstricke, die es zu vermeiden gilt. Daher empfiehlt sich eine sorgfältige Abwägung von Nutzen und Risiko.

 


Der Erwerb eines Unternehmens in der Krise kann zur Vermeidung eines Insolvenzverfahrens vor einer ggf. zeitnah erforderlichen Insolvenzantragstellung sowie nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen.

 


Unternehmenskauf vor Insolvenzantragstellung

Der entscheidende Vorteil eines Unternehmenskaufs vor einer ggf. zeitnah drohenden Insolvenzantragstellung liegt darin, dass die mit der Insolvenz einhergehende negative Marktwahrnehmung vermieden wird. Zum anderen kann der Interessent exklusive Verhandlungen direkt mit den Gesellschaftern/dem Geschäftsführer führen – ohne den Druck, Vergleichsangebote anderer Interessenten in jedem Fall überbieten zu müssen.
 
Werden die Gesellschaftsanteile des Unternehmens erworben (Share Deal), wird damit die Krise der Gesellschaft jedoch nicht beseitigt. Der Investor müsste außerdem die Liquiditätslücke durch eigene finanzielle Mittel vollständig und nachhaltig schließen, weshalb der Erwerb von Geschäftsanteilen in der Krise für den Investor in vielen Fällen nicht attraktiv ist.
 
Oftmals erscheint es daher für Investoren die perfekte Lösung, nur einzelne (oder alle) Vermögensgegenstände im Wege eines Asset Deals günstig zu erwerben. Es werden aber oft die Konsequenzen eines solchen Erwerbs unterschätzt.
 
Für den Fall der Geschäfts- und Firmenfortführung haftet der Erwerber u.U. für die Verbindlichkeiten des früheren Inhabers (§ 25 HGB). Die Übernahme des Geschäftsbetriebs bzw. eines Teilbetriebs kann auch zur Folge haben, dass der Erwerber für Steuerverbindlichkeiten der Gesellschaft (mit-)haftet (§ 75 AO) und im Falle eines Betriebsübergangs die Arbeitsverhältnisse auf den Erwerber übergehen (§ 613a BGB). Das zunächst vermutete „Schnäppchen” kann schnell zur Haftungsfalle werden.
 
Selbst wenn nur einzelne Vermögensgegenstände erworben werden, die nicht die oben genannten Konse­quenzen auslösen, so ist dennoch darauf zu achten, dass die Gegenleistung dem Verkehrswert entspricht. Andernfalls würde es sich um eine teilweise unentgeltliche Leistung handeln. Solche kann ein Insolvenz­verwalter innerhalb von vier Jahren nach Übertragung gemäß § 134 InsO anfechten und Rückübertragung bzw. Wertersatz für den unentgeltlichen Teil geltend machen, wenn es zur Insolvenzantragsstellung kommt. Es ist daher sicherzustellen, dass die vereinbarte Gegenleistung auch dem Wert der Vermögensgegenstände entspricht, um eine spätere Insolvenzanfechtung zu vermeiden.


Phase zwischen Insolvenzantragstellung und Eröffnung des Insolvenzverfahrens

Wurde der Insolvenzantrag bereits gestellt und ein vorläufiger Insolvenzverwalter eingesetzt, gilt für den Zeitraum der vorläufigen Insolvenzverwaltung bis zur Insolvenzeröffnung prinzipiell dasselbe wie vor Antragsstellung. Bei Anordnung einer (i.d.R. „schwachen”) vorläufigen Insolvenzverwaltung ist der Interims-Insolvenzverwalter noch nicht verfügungsbefugt, Verfügungen bedürfen allerdings seiner Zustimmung.

In der Praxis wird der Verkauf nur in besonderen Ausnahmefällen während des vorläufigen Insolvenzverfahrens vollzogen. Vielmehr wird der Zeitraum dazu genutzt die Unternehmenssituation zu bewerten, potenzielle Käufer zu finden, Angebote einzuholen sowie zu vergleichen und unterschriftsreif auszuhandeln. Denn der Insolvenz­verwalter ist gehalten, die bestmögliche Befriedigung der Gläubiger herbeizuführen. Er wird daher auch andere potenzielle Interessenten kontaktieren und ggf. einen professionellen Investoren- bzw. Bieterprozess einleiten, um das beste Angebot für die Insolvenzmasse zu ermitteln. Für den interessierten Investor besteht daher das Risiko, dass die Vermögenswerte aufgrund eines besseren Angebots an einen anderen Interessenten veräußert werden.


Erwerb nach Insolvenzeröffnung

Für den Erwerb nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus der Insolvenzmasse spricht v.a., dass nur die ausgewählten Assets übertragen werden; die Verbindlichkeiten verbleiben bei dem insolventen Rechtsträger und werden nicht übernommen. Allerdings wird der Insolvenzverwalter i.d.R. im Kaufvertrag so gut wie keine Garantien für die erworbenen Assets abgeben.

Vorteilhaft ist, dass auf den Erwerb von Vermögensgegenständen aus der Insolvenzmasse die oben genannten Haftungstatbestände aufgrund Geschäfts- und Firmenfortführung sowie die Haftung für Steuerverbindlich­keiten keine Anwendung finden. Zwar kann auch der Kauf aus der Insolvenzmasse einen Betriebsübergang und damit den etwaigen Übergang von Arbeitsverhältnissen nicht verhindern, jedoch lassen sich die oft not­wendigen arbeitsrechtlichen Maßnahmen mit Unterstützung des Insolvenzverwalters leichter, schneller und kostengünstiger vollziehen.

Oft gehen potenzielle Erwerber davon aus, dass der Insolvenzverwalter die Aufgabe hat, möglichst viele Arbeitsplätze oder den Geschäftsbetrieb im Ganzen zu erhalten. Das ist jedoch nicht ganz zutreffend. Der Insolvenzverwalter hat nur insoweit ein Interesse am Erhalt von Arbeitsplätzen, als durch die Übernahme der Arbeitnehmer die Belastung der Insolvenzmasse durch Gehaltsansprüche minimiert wird. An einer Vermögens­übertragung im Ganzen hat er nur ein Interesse, wenn dadurch ein höherer Kaufpreis erzielt werden kann als bei einer Einzelverwertung. Wenn aber ein potenzieller Käufer nur Interesse an einem abgrenzbaren Teilbereich hat und damit in Gesamtsumme unter Beachtung der Kosten für nicht übernommene Arbeitnehmer und ggf. mangelnde Verwertbarkeit der übrigen Vermögensgegenstände dennoch einen höheren Erlös für die Insolvenzmasse erzielt wird, so ist das Angebot des Interessenten dennoch zu bevorzugen.

Zu beachten ist, dass bestehende Vertragsbeziehungen zwischen dem insolventen Unternehmen und dessen Vertragspartnern nicht automatisch auf den Erwerber übergehen. Das hat den positiven Effekt, dass nicht benötigte/zu teure Verträge beim insolventen Rechtsträger belassen werden können – von ihnen kann sich der Insolvenzverwalter durch insolvenzrechtliche Sondervorschriften i.d.R. leicht lösen. Nachteilhaft kann das hingegen für betriebsnotwendige oder aus sonstigen Gründen wichtige Verträge sein, wenn der Erwerber keine Sicherheit hat, dass der Vertragspartner einer Übernahme zustimmt; ggf. müssen neue Konditionen ausverhandelt werden. Das sollte vor Vertragsschluss mit den wesentlichen Vertragspartnern abgestimmt werden.

Weiterhin müssen ggf. (bspw. behördliche) Genehmigungen, Zulassungen oder Erlaubnisse der Gesellschaft neu beantragt werden, soweit sie inhaberbezogen und nicht produktbezogen erteilt wurden. Kann dazu mit den jeweiligen Vertragspartnern/Behörden keine Einigung erzielt werden, so kann alternativ die Möglichkeit bestehen, die Gesellschaft als Rechtsträger über einen Insolvenzplan zu sanieren, an dem sich der Investor mit seiner Einlage beteiligt. Ein Insolvenzplan bedarf der Bestätigung durch die Gläubiger; er muss daher für sie vorteilhafter sein als ein Asset Deal.

Die Interessen der Gläubiger werden im Insolvenzverfahren durch die Gläubigerversammlung wahrgenommen, die wesentlichen Maßnahmen des Insolvenzverwalters (wie dem Verkauf des Unternehmens im Ganzen) zustimmen muss. In der Praxis wird der Insolvenzverwalter daher darauf bestehen, den Vertragsschluss unter die aufschiebende Bedingung zu stellen, dass die Gläubigerversammlung zustimmt. Der Schwebezeitraum bis zur Zustimmung birgt jedoch für den Erwerber Unsicherheiten, wenn unverzüglich Investitionen getätigt werden müssen, um den Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten. Zwar ist i.d.R. mit Zustimmung zu rechnen, wenn die Gläubiger durch den Verkauf auf eine höhere Quote hoffen können. Sollte jedoch die Zeit drängen und Zweifel an der Zustimmungserteilung bestehen, besteht die Möglichkeit zur Einrichtung eines (vorläufigen) Gläubigerausschusses, der unmittelbar nach Insolvenzeröffnung der Transaktion zustimmen kann. In manchen Fällen kann es auch ratsam sein, wesentliche Gläubiger vorab an den Verhandlungstisch zu holen.


Fazit

Es ist im Einzelfall genau abzuwägen, wann der richtige Zeitpunkt für den Erwerb ist. Im Hinblick auf die Befreiung von Verbindlichkeiten und die geringeren Haftungsrisiken ist für den Erwerber ein Kauf der Vermögenswerte nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens i.d.R. der sicherere Weg. Das Prozedere von Vertragsverhandlungen und Vertragsschluss unterscheidet sich aber von einem Kauf vor Insolvenz. Es gibt aber auch Sonderkonstellationen, in denen ein Erwerb der Anteile an dem insolventen Unternehmen bzw. ein Erwerb der Assets vor Antragstellung der zu bevorzugende Weg ist. Es ist daher entscheidend, die mit dem Kauf verfolgten Ziele genau zu hinterfragen und die Chancen und Risiken zu analysieren und gegeneinander abzuwägen.

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