Steuerliche Reformen: Ein Überblick über die Vorhaben auf EU-Ebene

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veröffentlicht am 19. April 2023 / Lesedauer ca. 4 Minuten
 
Auf Ebene der EU ist im Rahmen der steuerpolitischen Agenda zur grundlegenden Reform des Unternehmensteuerrechts (erneut) eine Vielzahl steuerlicher Vorhaben in Vorbereitung. Zu nennen sind insbesondere die geplanten neuen Substanzkriterien zur Verhinderung von „Briefkastenfirmen“ („Unshell“), die Angleichung der steuerlichen Behandlung von Fremd- und Eigenkapital („DEBRA“), neue Meldepflichten für Krypto­werte („DAC8“) sowie die Neuverteilung internationaler Besteuerungsrechte („Pillar 1“). 


 

 

Sollte innerhalb der EU eine Einigung über die jeweiligen Richtlinienentwürfe erzielt werden, ist deren Um­setzung in das nationale Steuerrecht für die EU-Mitgliedstaaten verpflichtend. Unternehmen täten gut daran, die Reformvorhaben schon jetzt im Blick zu behalten, um rechtzeitig auf die damit verbundenen neuen Rahmen­bedingungen und Compliance-Anforderungen reagieren zu können. 

  

Neue Substanzkriterien – „Unshell“

Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten wird häufig die Zwischenschaltung substanzschwacher oder substanzloser Unternehmen mit Ansässigkeit in Niedrigsteuerländern genutzt, um Steuersubstrat vor dem Zugriff des hoch besteuernden Ansässigkeitsstaates des Anteilseigners abzuschirmen (sog. „Briefkasten­firmen“). Um die Nutzung solcher „Briefkastenfirmen“ innerhalb der EU für Zwecke der Steuervermeidung und -hinterziehung zu verhindern, hat die EU am 22. Dezember 2021 den „Unshell“-Richtlinienentwurf vorgelegt. Die Richtlinie betrifft sämtliche in der EU ansässigen Unternehmen. Sie sind zur Identifikation von EU-„Brief­kasten­firmen“ einem zweistufigen Substanztest zu unterziehen. Wird ein Unternehmen als „Briefkastenfirma“ im Sinne der Richtlinie qualifiziert, werden dem Unternehmen die Begünstigungen aus EU-Richtlinien und Doppelbesteuerungsabkommen versagt. Zudem wird die Abschirmwirkung von Kapitalgesellschaften durch­brochen, indem die Einkünfte der „Briefkastenfirma“ bei dem Anteilseigner besteuert werden. Derzeit ist ge­plant, dass die Vorgaben der Richtlinie erstmals ab dem 1. Januar 2024 anzuwenden sein sollen. 
 
Da die in dem Richtlinienentwurf vorgesehenen Dokumentationspflichten zum Teil bis in die Jahre 2022 und 2023 zurückreichen, ist es für Unternehmen schon heute ratsam, auf die Dokumentation der vorgesehenen Substanzkriterien zu achten. Das gilt vor allem, weil auch Unternehmen, die auf den ersten Blick nicht mit dem Begriff „Briefkastenfirma“ in Verbindung gebracht werden, von zusätzlichen Erklärungs- und Nachweispflichten betroffen sein können. 
 

Angleichung von Fremd- und Eigenkapital – „DEBRA“

Aus steuerlicher Sicht ist die Unternehmensfinanzierung durch Fremdkapital günstiger als die Finanzierung durch Eigenkapital, da Zinsen anders als Dividenden regelmäßig die Steuerlast des Unternehmens mindern. Die steuerliche Ungleichbehandlung von Fremd- und Eigenkapital soll durch den im Mai 2022 veröffentlichten „DEBRA“-Richtlinienentwurf beseitigt werden, um Anreize zur Senkung des Verschuldungsgrades der Unter­nehmen zu setzen. Vorgesehen ist eine wechselseitige Angleichung der steuerlichen Behandlung des Fremd- und Eigenkapitals durch zwei Maßnahmen. Zum einen soll ein Freibetrag eingeführt werden, durch den ein Zinsabzug auf Eigenkapitalerhöhungen fingiert wird. Zum anderen soll die Abzugsfähigkeit von Zinsen für Zwecke der Körperschaftsteuer noch strenger begrenzt werden. Die Neuregelungen betreffen alle Körper­schaft­­steuerpflichtigen innerhalb der EU. Personengesellschaften und Einzelunternehmen sind somit, jedenfalls nach der derzeitigen Fassung des Richtlinienentwurfs, nicht von den geplanten Neuregelungen betroffen. Sollten auf EU-Ebene eine Einigung erzielt werden, sollen die Vorgaben der Richtlinie erstmals ab dem 1. Januar 2024 anzuwenden sein.

Meldepflichten für Kryptowerte – „DAC8“

Der am 8. Dezember 2022 vorgelegte „DAC8“-Richtlinienentwurf sieht eine Erweiterung der EU-Amtshilfe­richt­linie auf Kryptowerte vor. Dadurch soll den Steuerbehörden der Zugang zu Informationen über Erlöse erleich­tert werden, die mithilfe von Kryptowerten erzielt werden. Der „DAC8“-Richtlinenentwurf reiht sich somit ein in die (seit 1. Januar 2020 geltenden) Meldepflichten für grenzüberschreitende Steuergestaltungen nach „DAC6“ sowie die (seit 1. Januar 2023 geltenden) Meldepflichten für digitale Plattformbetreiber nach „DAC7“. Konkret soll allen Anbietern von Krypto-Dienstleistungen – standort- und größenunabhängig – eine Meldepflicht für Transaktionen ihrer in der EU ansässigen Kunden auferlegt werden. Die Meldepflichten sollen daneben auch auf digitales Geld (sog. E-Geld) Anwendung finden. Von der Meldepflicht werden nicht nur grenzüber­schrei­tende, sondern auch inländische Transaktionen betroffen sein. Die Bestimmungen der Richtlinie sehen eine erstmalige Anwendung ab dem 1. Januar 2026 vor. Bei Nichteinhaltung der Meldepflicht drohen Sanktionen in Höhe von 50.000 bis 150.000 Euro.
 

Neuordnung der Besteuerungsrechte – „Pillar 1“

Die Umsetzung der nationalen Mindeststeuer nach Säule 2 („Pillar 2“) des OECD-Zwei-Säulen-Konzepts ist in der EU durch das Inkrafttreten der betreffenden EU-Richtlinie bereits in die „heiße Phase“ eingetreten. Für Unternehmen führt somit kein Weg mehr daran vorbei, sich mit den neuen Mindeststeuerregeln auseinander­zu­setzen. Noch ausstehend ist dagegen die Umsetzung der Säule 1 („Pillar 1“) des OECD-Zwei-Säulen-Konzepts in der EU. Ziel von Säule 1 ist die Ausweitung und Neuverteilung der internationalen Besteuerungsrechte zwischen Ansässigkeits- und Marktstaaten. Betroffen sein werden multinationale Unternehmensgruppen mit einem Jahresumsatz von mehr als 20 Mrd. Euro und einer Umsatzrentabilität von über 10 Prozent. Für den Entwurf einer EU-Richtlinie fehlt es bislang noch an einer Vervollständigung und Finalisierung der Regelungen seitens der OECD, so dass mit einer Einführung der Neuregelungen erst ab dem Jahr 2024 zu rechnen ist. 
 

Einheitliches Körperschaftsteuersystem – „BEFIT“

Die BEFIT-Initiative der EU sieht die Einführung eines EU-weit einheitlichen Regelwerks für die Berechnung der Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage sowie eine formelbasierte Gewinnverteilung zwischen den EU-Mitgliedstaaten vor. Ein Richtlinienentwurf liegt bis dato noch nicht vor, wird jedoch für das dritte Quartal 2023 erwartet. Hinsichtlich des Anwendungsbereichs ist noch unklar, ob die Regelungen nur (multinationale und auch rein nationale) Unternehmensgruppen mit einem Konzern-Jahresumsatz von mindestens 750 Mio. Euro betreffen werden oder ein niedrigerer Schwellenwert festgelegt wird. Auch die konkrete Ausgestaltung der einheitlichen Gewinnermittlungsregelungen sowie die Maßstäbe zur Gewinnverteilung zwischen den EU-Mitgliedstaaten sind noch offen. Sollte es tatsächlich zu einer Umsetzung der BEFIT-Initiative kommen, wäre insbesondere in den ersten Jahren nach Einführung der Neuregelungen mit einem erheblichen Befolgungs­aufwand für die betroffenen Unternehmen zu rechnen.

Was zu beachten ist

  • Der Fokus vieler Reformvorhaben liegt auf grenzüberschreitenden Sachverhalten. Jedoch sind teils auch rein national tätige Unternehmen betroffen (bspw. durch die „DEBRA“-Richtlinie).
  • Hinsichtlich der Substanzkriterien nach dem „Unshell“-Richtlinienentwurf können schon heute Dokumen­tations­pflichten zu beachten sein, weshalb Unternehmen die neuen Substanzkriterien bereits im Blick halten sollten. 

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