Nicht standardmäßige Unterbrechung der Verjährungsfrist (Fälle auf der Grundlage des polnischen Rechts)

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​​​​​veröffentlicht am 24. April 2024 | Lesedauer ca. 5 Minuten


Es geht darum, wann, bei welcher personellen Konstellation und unter welchen Be­dingungen man von einem nicht-vertraglichen Schuldanerkenntnis sprechen kann. ​




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Standardmethoden der Unterbrechung der Verjährungsfrist 

Im polnischen Zivilrecht kann der Lauf der Verjährungsfrist eines Anspruchs durch Handlungen des Gläubigers (Art. 123 §1 Pkt. 1 des Zivilgesetzbuches – nachfolgend „ZGB-PL“) oder infolge der Anerkennung des Anspruchs durch den Schuldner (Art. 123 §1 Pkt. 2 ZGB-PL) unterbrochen werden. Aktive Handlungen des Gläubigers zwecks Unterbrechung der Verjährungsfrist sind z.B. Klageerhebung oder Aufforderung der anderen Partei zur Teilnahme an einem Schiedsverfahren, sofern der Anspruch der Schiedsgerichtsbarkeit unterstellt wurde. Die Anerkennung des Anspruchs durch den Schuldner kann durch ein vertragliches Schuldanerkenntnis (z.B. durch Abschluss eines Vertrags mit dem Gläubiger, in dem der Schuldner das Bestehen des Anspruchs bestätigt) oder durch ein nicht-vertragliches Schuldanerkenntnis erfolgen. Nachfolgend finden Sie auch Beispiele für Hand­lungen, die meistens als nicht-vertragliches Anerkenntnis von Ansprüchen eingestuft werden, sowie kon­tro­verse Fälle. Besprochen wird auch der Einfluss, den die vom Gläubiger im Insolvenzverfahren vorgenommenen Handlungen auf den Lauf der Verjährungsfrist seines Anspruchs haben. 

Wesen des nicht-vertraglichen Schuldanerkenntnisses

Nach der gegenwärtigen herrschenden Meinung in der Rechtslehre stellt das nicht-vertragliche Schuld­an­er­kenntnis eine Wissenserklärung des Schuldners über das Bestehen des gegen ihn erhobenen Anspruchs dar.

Es wird angenommen, dass man, um eine Erklärung eines Schuldners als Schuldanerkenntnis einstufen zu können, feststellen muss, dass die betreffende Erklärung beim Gläubiger die begründete Überzeugung hervor­rufen konnte, dass der Schuldner beabsichtigt, den Anspruch zu erfüllen. Hervorgehoben wird, dass der Gläubiger grundsätzlich nicht der direkte Empfänger der Erklärung des Schuldners über die Anerkennung des Anspruchs sein muss; vielmehr reicht es aus, dass er nach dem Willen des Schuldners von der Erklärung er­fährt. 

Meistens werden als Beispiele eines nicht-vertraglichen Schuldanerkenntnisses genannt: Zahlung der Zinsen auf den Hauptbetrag, Bitte an den Gläubiger um Verlängerung der Frist für die Erbringung der Leistung, um den Erlass der Schuld oder um ihre Begleichung in Raten. 

Teilweise Begleichung eines Anspruchs – ein kontroverses Beispiel

Obwohl die meisten Ausarbeitungen und Kommentare zu Art. 123 ZGB-PL die teilweise Begleichung eines Anspruchs als klassisches Beispiel für ein nicht-vertragliches Schuldanerkenntnis nennen, ist anzumerken, dass nicht in jedem Fall der teilweisen Begleichung das Resultat des Anerkenntnisses erreicht wird. Es ist Folgendes hervorzuheben: Da die Anerkennung eine Wissenserklärung ist und durch konkludentes Handeln des Schuldners erfolgen kann, ist es nicht erforderlich, dass der Schuldner bei der Anerkennung der Schuld gleichzeitig ihre genaue Höhe und Rechtsgrundlage, aus der sie sich ergibt, angibt. In der klassischen Situation, dass der Gläubiger nur eine Schuld gegenüber dem Schuldner hat, ist festzustellen, dass die teilweise Be­glei­chung dieser Schuld (ohne zusätzliche Vorbehalte) die Anerkennung der gesamten Schuld darstellen und die Verjährungsfrist in Bezug auf die Schuld in voller Höhe unterbrechen wird. Stellt dagegen der Schuldner bei der teilweisen Begleichung der Schuld klar, dass dies seiner Auffassung nach die vollständige Erfüllung der Leis­tung ist, da er das Bestehen der Schuld in der restlichen Höhe anzweifelt, so wird die Verjährungsfrist in Bezug auf den Restbetrag nicht unterbrochen, da nicht angenommen werden kann, dass der Gläubiger die Erfüllung des verbleibenden Anspruchs erwarten konnte. 

Gemäß dem Urteil des Obersten Gerichts vom 7. März 2003 in der Sache I CKN 11/01 gilt Folgendes: Hat der Schuldner gegenüber dem Gläubiger mehrere Schulden, da beide in festen Geschäftsbeziehungen stehen, dann stellt die teilweise Begleichung einer Schuld – ohne Hinweis darauf, auf welche Schuld die Zahlung anzu­rechnen ist – keine Anerkennung einer der Schulden dar, da es nicht möglich ist zu bestimmen, welchen An­spruch der Schuldner als ihm gegenüber bestehend anerkennt. 

In einer anderen Sache hat das Berufungsgericht Krakau (Urteil vom 24. September 2018 – I ACa 1453/17) festgestellt, dass unregelmäßige Einzahlungen von geringeren Beträgen als den im Darlehensvertrag zwischen der Partei und der Bank vereinbarten bei der Bank nicht die begründete Überzeugung hervorrufen konnten, dass die Leistung vollumfänglich erfüllt werden wird. Folglich hat das Oberste Gericht festgestellt, dass diese Einzahlungen kein nicht-vertragliches Schuldanerkenntnis darstellten.   

Fazit: In den meisten Fällen wird die teilweise Begleichung eines Anspruchs die Grundlage für die Annahme darstellen, dass die Verjährungsfrist in Bezug auf die gesamte Leistung unterbrochen wurde – es gibt jedoch seltener vorkommende Situationen, in denen eine solche Schlussfolgerung nicht begründet ist. 

Saldenbestätigung – die wichtige Rolle der Buchhalter

Die Saldenbestätigung durch die Geschäftspartner ist eine Pflicht der Gewerbetreibenden, die sich aus dem Rechnungslegungsgesetz ergibt. Deren Zweck ist es, vom Geschäftspartner eine Bestätigung der Höhe der bestehenden Verschuldung bzw. der gegen ihn bestehenden Forderungen einzuholen. In der Rechtsprechung besteht das Problem, ob eine Saldenbestätigung als nicht-vertragliches Schuldanerkenntnis gelten kann, seit fast 30 Jahren und die Auffassung hierzu hat sich über die Jahre hinweg wesentlich geändert.

Gemäß der älteren Rechtsprechungslinie müsste eine dem Geschäftspartner übersandte Saldenbestätigung von den vertretungsberechtigten Personen des betreffenden Unternehmens unterzeichnet werden, um als nicht-vertragliches Schuldanerkenntnis eingestuft zu werden (Urteil des Obersten Gerichts vom 26. April 1995 – III CZP 39/95). Mit der Annahme einer solchen Auffassung hat das Oberste Gericht die Saldenbestätigung anderen Handlungen, die von der Geschäftsführung im Namen der Gesellschaft vorgenommen, gleichgestellt.

Folglich hatte eine vom Hauptbuchhalter unterzeichnete Saldenbestätigung (was in der Praxis meistens der Fall ist) für den Geschäftspartner der Gesellschaft keinen Wert, da er von einer solchen Bestätigung keine Rechtsfolgen ableiten konnte.

Gegenwärtig vertritt das Oberste Gericht diese rigorose Auffassung nicht mehr, und in der Rechtsprechung herrscht jetzt die Meinung, dass die Ausstellung einer Saldenbestätigung durch einen berechtigten Buchhalter für die Annahme ausreichend ist, dass die Schuld von der Gesellschaft anerkannt wurde (Urteil des Obersten Gerichts vom 10. November 2020 – V CSK 628/18). Es wird davon ausgegangen, dass die Wissenserklärung lediglich eine Bestätigung des Bewusstseins der Gesellschaft, dass bestimmte Verbindlichkeiten bestehen, darstellt. Zur Abgabe solcher Erklärungen sind die Arbeitnehmer der Gesellschaft im Rahmen ihrer Kompe­ten­zen, die sich aus den zwischen ihnen und der Gesellschaft bestehenden Vertragsverhältnissen ergeben, be­rechtigt. Die Formulierung zusätzlicher Beschränkungen in diesem Bereich würde dem Wesen des Schuld­an­er­kennt­nisses als Wissenserklärung widersprechen.

Einfluss der vom Gläubiger im Insolvenzverfahren vorgenommenen Handlungen auf den Verlauf der Verjährungsfrist seiner Forderungen

Neben dem Thema des nicht-vertraglichen Schuldanerkenntnisses wird zum Abschluss des Artikels die Frage behandelt, welchen Einfluss vom Gläubiger im Insolvenzverfahren vorgenommene Handlungen auf den Lauf der Verjährungsfrist seines Anspruchs haben können. Solche Handlungen werden gemäß Art. 123 § 1 Pkt. 1) ZGB-PL eingestuft, was bedeutet, dass sie „direkt zur Geltendmachung, Ermittlung oder Befriedigung oder Sicherung eines Anspruchs vorgenommen werden müssen”.

In Art. 239a, der im Zuge der Novelle des Insolvenzgesetzes im März 2020 eingeführt wurde, wird ausdrücklich festgestellt, dass die Anmeldung einer Forderung die Verjährungsfrist unterbricht. Ihr Lauf beginnt jedoch von neuem ab dem Tag, der auf den Tag folgt, an dem der Beschluss über die Beendigung oder Einstellung des In­sol­venz­ver­fahrens rechtskräftig wurde.

Wesentlich größere Kontroversen – und zwar sowohl in der Lehre als auch in der Rechtsprechung – löst die Frage aus, welche Folge ein vom Gläubiger gestellter Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners wegen Zahlungsunfähigkeit hat.

Nach herrschender Auffassung in der Rechtsprechung unterbricht die Stellung eines solchen Antrags die Ver­jährungsfrist bezüglich des Anspruchs des Gläubigers, der Gegenstand des Antrags ist. Diese Auffassung ver­trat das Oberste Gericht in seinem Urteil vom 6. Oktober 2004, Az. I CK 71/04. In diesem Urteil hob das Gericht hervor, dass der Zweck der Stellung eines solchen Antrags durch den Gläubiger nicht ausschließlich darin bestehe, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners durch das Gericht zu bewirken, sondern vor allem darin, die Befriedigung der Forderung durch spätere Einbeziehung in die In­sol­venz­masse zu erreichen. Des Weiteren stellte das Gericht in dem o.g. Urteil Folgendes fest: Sollten die Voraus­setz­ungen für eine Zahlungsunfähigkeit des Schuldners vorliegen, so kann der Gläubiger die Befriedigung seines Anspruchs nur durch Stellung eines Insolvenzantrags erreichen.
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