Digitalisierung in Hongkong

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veröffentlicht am 24. August 2022 | Lesedauer ca. 5 Minuten


Interview mit Peter Stark


Digitalisierung ist ein branchen- und gesellschaftsübergreifendes Thema. Wie schätzen Sie die aktuelle Lage in Hongkong ein? Welche Branchen sind bereits auf der Erfolgsspur, welche hinken hinterher?

Insbesondere der Ausbruch der Covid-19-Pandemie hat in Hongkong zu einer starken Beschleunigung und Erweiterung des auch zuvor schon hohen Grades an Digitalisierung geführt. Sowohl der öffentliche Sektor als auch private Unternehmen haben sich den speziellen Anforderungen durch die Pandemie wie Reisebeschrän­kungen, Zugangsbeschränkungen zu öffentlichen Gebäuden, Anordnung von Homeoffice usw. sehr schnell angepasst. Der überwiegende Teil von Entscheidungsträgern in Hongkong ist der Auffassung, dass die weitere Digitalisierung und Innovationen in diesem Bereich Notwendigkeiten sind, um die Stabilität und Entwicklung der Unternehmen zu gewährleisten. Für viele Unternehmen bilden Technologie und die Menschen die oberste Priorität.

Im öffentlichen Bereich sind bereits jetzt eine Vielzahl von behördlichen Angelegenheiten, die noch vor zwei bis drei Jahren ein persönliches Vorsprechen mit entsprechenden Wartezeiten verlangten, online möglich. Daneben stellt die Regierung verschiedenste Applikationen zur Verfügung („GovHK Notifications“), die unterschiedliche Regierungsinformationen, aber auch Warnungen und Hinweise wie Verkehrshinweise, Reisewarnungen, Wetter­warnungen usw. direkt auf das Mobilgerät des Nutzers senden.

Die Regierung Hongkongs verfolgt in Zusammenarbeit mit privaten Institutionen das Ziel, die Stadt zu einer sog. „WiFi Connected City“ zu machen. Zu diesem Zweck stehen in der gesamten Stadt kostenlose Hotspots für den Internetzugang zu öffentlichen Einrichtungen zur Verfügung. Dazu gehören u.a. Regierungsgebäude, aber auch öffentliche Museen, Parks, Freizeiteinrichtungen, Gemeindezentren und weitere Einrichtungen.

Für den privaten Sektor ist die weitere Digitalisierung ein Muss, wenn das Unternehmen im Markt bestehen will. Das liegt insbesondere an den Menschen in der Stadt, die hochgradig digitalisierte Verhaltensweisen und Lebensstile verfolgen. Zu nennen sind insbesondere die Bereiche eCommerce, Lieferungen von Lebensmitteln sowie die Nutzung von Medien, Videoplattformen oder Spiele.


Wo sehen Sie Potenziale für deutschen oder europäischen Unternehmen in Hongkong?

Hongkong ist neben seiner Rolle als vitaler Ausgangspunkt für Geschäftsaktivitäten in Ost- und Südostasien ein zentrales Tor zu China und v.a. zum Pearl-River-Delta. Hongkong nimmt teil an der Digital Belt and Road. Diese beinhaltet den weiteren Aus- und Aufbau der digitalen Vernetzung, wobei Hongkong aufgrund der aus­gezeichneten digitalen Infrastruktur (z.B. Cloud-Dienste) eine Schlüsselrolle zukommt. Die Regierung Hongkongs fördert das durch den Ausbau und die Entwicklung weiterer Datenzentren flankiert durch die Möglichkeit des freien Datenverkehrs sowie zuverlässiger Datenschutzgesetze. Die Stadt eignet sich daher sehr gut als „Datenzentrum“ für Unternehmen, die weitere Geschäftsaktivitäten innerhalb der Digital Belt and Road, aber auch im weiteren ost- und südostasiatischem Raum beabsichtigen.

Geschäftschancen für deutsche und europäische Unternehmen bieten sich im Bereich intelligente Gebäude­technik und Verkehrsleit- bzw. Transportsysteme sowie automatisierte und autonome Transportmittel. Durch die veränderten Verhaltensweisen der digitalaffinen Hongkonger Bevölkerung bietet ebenso der gesamte E-Commerce Sektor, inklusive dem (Bio-)Lebensmittelhandel, große Chancen für deutsche und europäische Unternehmen. Weitere Potenziale finden sich für Unternehmen aus den Bereichen Umwelttechnik, Handel und Logistik, aber auch Start-ups, insbesondere FinTechs.

Die gesamte Pearl-River-Delta-Region entwickelt sich mehr und mehr zum Start-up-Hotspot durch diverse Ökosysteme, die für die Anwerbung solcher Unternehmen umfassend aufgebaut wurden und gefördert werden.


Digitalisierung ruft auch immer Fragen zu Themen wie Cybersicherheit, Datenschutz, oder das Schaffen neuer Regeln und Standards für die digitale Wirtschaft auf den Plan. Wie sind Ihre Erfahrungen in Hongkong gibt es bereits Gesetze oder Vorschriften, die diese Themen speziell regulieren und Sicherheiten für Unternehmen schaffen?

Derzeit besteht in Hongkong kein umfassendes Gesetz zur Cybersicherheit. Vielmehr sind Regeln zur Cyber­sicherheit als auch zum Datenschutz in unterschiedlichen Gesetzen und Regelungen festgelegt. Von heraus­ragender Bedeutung ist hierbei das Datenschutzgesetz („Personal Data (Privacy) Ordinance”). Diese legt sechs Grundsätze für den Datenschutz fest. Für Unternehmen besonders wichtig ist der Grundsatz, dass Datennutzer alle praktikablen Maßnahmen ergreifen müssen, um sicherzustellen, dass personenbezogene Daten gegen unbefugte oder versehentliche Verarbeitung, Löschung, Verlust oder Verwendung geschützt werden. Weitere Grundsätze betreffen unter anderem den Umfang und Zweck der Datenerhebung und Informationsrechte der betroffenen Personen.

Im Hinblick auf den grenzüberschreitenden Datentransfer stellt sich die Rechtslage in Hongkong etwas kurios dar. Nach Abschnitt 33 des Datenschutzgesetzes ist ein grenzüberschreitender Datentransfer grundsätzlich unzulässig, es sei denn, eine Ausnahme greift. Dieser Abschnitt ist jedoch bis heute nicht in Kraft getreten. Seit Mai 2022 besteht daher ein auf der Version von 2014 aufbauender neuer Leitfaden, welcher Vertragsklauseln für den Fall eines grenzüberschreitenden Datentransfers enthält. Diese Klauseln sind nicht verpflichtend, können aber insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen helfen, die Grundsätze der „best practice“ und Verantwortung für die Data Governance einzuhalten.

Derzeit plant die Regierung ein Gesetz zur Cybersicherheit. Hierzu wurden im April 2022 dem zuständigen Aus­schuss des „Legislative Council” detailliertere Pläne übermittelt. Hierzu gehören insbesondere die Ausarbei­tung von Rechtsvorschriften zur klaren Definition der Verantwortlichkeiten der Betreiber von kritischen Informationsstrukturen im Bereich der Cybersicherheit und der Verbesserung des Schutzes des Betriebes und der Daten von Hongkongs Netzwerk- und Informationssystemen. Ein Gesetzentwurf wird vermutlich noch in diesem Jahr vorgelegt werden, womit die öffentlichen Anhörungen beginnen werden. Mit einem finalen Gesetzesentwurf und einem Inkrafttreten dürfte nicht vor Mitte bis Ende nächsten Jahres zu rechnen sein.


Inwieweit hat die Corona-Pandemie die Entwicklung in den letzten 2 oder 2,5 Jahren verändert?

Die Pandemie hat, wie oben schon kurz angesprochen, die digitale Transformation in Hongkong insbesondere auch bei kleinen und  mittleren Unternehmen stark beschleunigt. Eine Vielzahl von Unternehmen erwartet dieses Jahr ein Wachstum des Geschäfts und die Einführung neuer Produkte, Dienstleistungen oder Prozesse. Dies führen viele der Unternehmen vor allem auf ihre Investitionen in Technologie im vergangenen Jahr zurück.

 
Gründe hierfür sind die durch die Pandemie auch veränderten Verhaltensweisen der Menschen. Die Zahl der Onlinekäufe und die Nutzung digitaler Bezahltechniken haben stark zugenommen. Zudem hat die Hongkonger Regierung im Zuge der Pandemie Einkaufsgutscheine ausgeteilt, welche häufig in elektronischer Form übermittelt wurden. Hierdurch bestand ein weiterer Anreiz für Unternehmen, die Digitalisierung voranzutreiben, um an dem geänderten Konsumentenverhalten partizipieren zu können.

Aber auch die Maßnahmen zum Abstandhalten und die Anordnung zum Arbeiten im Home Office haben zu einer weiteren Digitalisierung geführt, da Unternehmen als auch die Arbeitnehmer in IT investieren mussten. Daneben haben viele Unternehmen durch die Pandemie festgestellt, dass eine gute IT-Infrastruktur bei neuerlichen Krisen äußerst hilfreich sein kann, um anfänglichen Geschäftseinbrüche wie bei der Covid-19-Pandemie abzufedern.

So wie die aktuelle Entwicklung sich zeigt, kann davon ausgegangen werden, dass die Digitalisierung auch nach dem Ende der Pandemie und der Normalisierung der Wirtschaft eine Schlüsselrolle für die Unternehmen spielen wird. Insbesondere auch um operative Risiken wie Angebots- und Nachfrageschocks zu minimieren.


Smart Cities und Smart Economies – sind das Trends oder Pilotprojekte in Hongkong und wenn ja, welche Möglichkeiten bieten sich für deutsche Technologien oder Wissenstransfers?

Hongkong unternimmt bereits seit einigen Jahren erhebliche Anstrengungen und fördert aktiv die Entwicklung der Smart City und der digitalen Wirtschaft. Als wichtige Katalysatoren und entscheidende Erfolgsfaktoren, um die Entwicklung der digitalen Wirtschaft voranzutreiben, sieht die Regierung insbesondere die effektive Nutzung von Daten, die Förderung verschiedener neu entwickelter digitaler Technologien wie künstliche Intelligenz, Big Data, Blockchain, Cloud Computing usw., als auch den Aufbau bzw. die Erweiterung digitaler Infrastruktureinrichtungen. Seit 2017 besteht für diese Entwicklung der sog. „Smart City Blue Print”, welcher 2020 angepasst wurde und mehr als 130 verschiedene Initiativen in sechs unterschiedlichen Bereichen umfasst. Hierzu gehören beispielsweise die Förderung spezieller Branchen wie FinTechs, aber auch die kontinuierliche Unterstützung lokaler Unternehmen bei der Einführung von IT-Diensten und IT-Lösungen zur Verbesserung ihrer Geschäftsabläufe durch ein „Technology Voucher Programme”.

Daneben verfolgt die Regierung einen mehrgleisigen Ansatz, um den Pool an IT-Talenten durch Anwerbung, Förderung und Bildung von Talenten im Bereich der digitalen Technologien zu vergrößern. Zusätzlich werden Universitäten darin unterstützt, ausländische Professoren zur Lehre und Forschung nach Hongkong einzuladen als auch die Quote an Arbeitsvisa für entsprechend ausgebildete Ausländer zu erhöhen.

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