Chinas Social Credit-System für Unternehmen

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veröffentlicht am 1. Oktober 2019 | Lesedauer ca. 4 Minuten

von Christina Gigler

 

Obwohl Chinas Social Credit-System für Unternehmen (kurz: SCS) erst in den letzten Monaten bzw. Jahren in der Öffentlichkeit diskutiert wurde, handelt es sich eigentlich um keine sehr junge Entwicklung. Die Anfänge des SCS gehen bis in das Jahr 2014 zurück. Seit 2014 veröffentlichten die chinesischen Regierungsbehörden zahlreiche Vorschriften, Gesetze und Richtlinien, die als Basis für das SCS dienen, es definieren und erklären. Bis heute wurden im Rahmen des SCS ca. 1.500 Regierungsdokumente von zentralen und lokalen Regierungsbehörden veröffentlicht.

 

   

Das SCS ist zweifellos das umfassendste System einer Regierung zur Einführung eines selbstregulierenden Marktes. Da insbesondere deutsche Nachrichten aus einer westlich geprägten Perspektive über die SCS berichten, soll mit diesem Artikel das Thema aus einem neutralen Blickwinkel betrachtet und ein Überblick über den aktuellen Status gegeben werden. Wir konzentrieren uns bei der Betrachtung hauptsächlich auf das SCS für Unternehmen, das weiterentwickelter ist als das SCS für Privatpersonen.

 

 

Wie funktioniert das Rating?

Im Rahmen des SCS erheben sowohl staatliche Behörden als auch private Unternehmen (z.B. Alibaba und Tencent) Daten über das Verhalten von Personen und in China registrierten Unternehmen. Basierend auf diesen Daten werden Privatpersonen und Unternehmen auf der Grundlage spezifischer Parameter und definierter Anforderungen der Regierung bewertet. Das SCS deckt grundsätzlich alle Aspekte der Geschäftstätigkeit in China ab (z.B. Steuern, Zoll, Produktqualität, Umweltschutz, Preisgestaltung und Lizenzierung, Datentransfer etc.). Ziel und Idee des SCS ist es, die Daten zwischen verschiedenen Teilen des Systems und auch der Öffentlichkeit auszutauschen, um das Verhalten der Marktteilnehmer zu überwachen und zu steuern. Ein gutes Rating führt zu Belohnungen und kann niedrigere Steuersätze, einen leichteren Marktzugang oder bessere Bedingungen bei der Kreditvergabe bedeuten, während ein schlechtes Rating zu Sanktionen wie Strafzahlungen, Gerichtsbeschlüssen oder sogar Blacklisting führen kann. Die Belohnungsmechanismen sind aktuell weniger ausgeprägt als die Maßnahmen der Sanktionierung.

 
Ein wichtiges Merkmal des SCS sind die sogenannten "gemeinsamen Sanktionen". Das bedeutet, dass Sanktionen nicht nur von einer Behörde auf der Grundlage des Ratings, für das sie direkt verantwortlich ist, verhängt werden, sondern auch als Reaktion auf negative Ratings in anderen Teilbereichen des Systems. Beispielsweise kann das Rating eines Unternehmens mit dem Status „nicht vertrauenswürdiger Steuerzahler“ nicht nur zu steuerlichen Sanktionen führen, sondern kann sich negativ auf Genehmigungsverfahren oder Landnutzungsrechte des Unternehmens auswirken, oder die Reisefreiheit des gesetzlichen Vertreters des Unternehmens einschränken.

 
Der Zeitraum, in dem ein Rating aktualisiert wird, ist nicht einheitlich geregelt. Einige Ratings ändern sich in Echtzeit, andere werden alle paar Monate aktualisiert, während wieder andere nur einmal im Jahr aktualisiert werden. Dennoch kann jederzeit ein Blacklisting oder Rating erfolgen.

 

Bitte beachten Sie, dass das SCS nur für Unternehmen gilt, die in China registriert sind. Das bedeutet, dass das Rating zum Zeitpunkt der erfolgreichen Registrierung des Unternehmens in China bei Null beginnt.

 

Was sind die konkreten Auswirkungen auf Unternehmen?

Während die Einführung und Umsetzung des SCS noch lange nicht vollständig abgeschlossen ist und je nach Standort und Branche variiert, sind viele der Mechanismen des Systems bereits heute funktionsfähig. Schon  jetzt sehen sich Unternehmen mit schlechtem Rating mit höheren Inspektionsraten und gezielten Audits konfrontiert. Betroffene Unternehmen müssen sich unter Umständen mit Beschränkungen für die Erteilung von Genehmigungen jeglicher Art und Beschränkungen des öffentlichen Auftragswesens auseinandersetzen. Zudem können schlechte Ratings zum Ausschluss von bestimmten Präferenzmaßnahmen, beispielsweise Subventionen, führen.

 

Die chinesische Regierung strebt eine vollständige Umsetzung der SCS bis Ende 2020 an, was aber nicht bedeutet, dass mögliche Schwachstellen des Systems bis dahin vollständig beseitigt sind. Das SCS war und ist ein sich weiterentwickelndes System, das kontinuierlich angepasst und verbessert wird, auch unter Berücksichtigung sich verändernder wirtschaftlicher und politischer Ziele.

 

Gibt es eine Möglichkeit, die Auswirkungen zu minimieren?

Derzeit sehen wir keine Möglichkeiten, um die Auswirkungen zu minimieren.
 
Sobald das Unternehmen mit einem schlechten Rating konfrontiert ist, besteht jedoch die Möglichkeit, gegen das Rating vorzugehen. Um ein negatives Rating zurückzusetzen, muss ein so genannter "Credit Rescue Commitment Letter" eingereicht werden. Je nach Art der Einstufung können zusätzliche Materialien erforderlich sein. Die Frist für das Zurücksetzen eines Ratings ist derzeit nicht einheitlich und variiert von Fall zu Fall. Darüber hinaus können verwaltungsrechtliche Rechtsmittel zur Anwendung kommen.

 

Gibt es Positives an der SCS?

Ein positiver Aspekt besteht darin, dass die Vorschriften zwischen chinesischen und ausländisch investierten Unternehmen gleichermaßen durchgesetzt werden, da das Rating größtenteils auf Algorithmen basiert und dieser nicht zwischen inländischen und ausländisch investierten Unternehmen unterscheiden, solange sie in China registriert sind. Das SCS kann dadurch zu der oft geforderten Chancengleichheit inländischer und ausländisch investierter Unternehmen beitragen, da die Daten automatisiert verarbeitet werden und Willkür eliminiert bzw. minimiert werden kann. Es kann jedoch nicht sichergestellt werden, dass das System nicht trotzdem ungleich angewendet wird. Naturgemäß sind zudem einige Anforderungen für ausländisch investierte Unternehmen schwieriger zu erfüllen und so könnten chinesische Unternehmen zumindest einen Vorteil im Verständnis der Feinheiten des Systems gewinnen. Zum einen werden die Regelungen meist nur in chinesischer Sprache veröffentlicht und zum anderen wird es für chinesische Unternehmen einfacher sein mit den Behörden zu kommunizieren, um bestimmte Punkte zu klären.

 
Ein weiterer positiver Gesichtspunkt, der für das SCS spricht, dass der Großteil der Anforderungen bereits existiert, wenngleich auch neue Anforderungen eingeführt werden. Dennoch – durch die bereits angewandten Anforderungen sollten Unternehmen weniger überrascht sein. Der Unterschied zur vorherigen Anwendungspraxis besteht jedoch in der strengeren und schnelleren Durchsetzung der Anforderungen und dem Informationsaustausch zwischen den verschiedenen Behörden.

 

Zusammenhang zwischen Unternehmens- und Privatpersonenratings

Das SCS für Privatpersonen befindet sich im Vergleich zum SCS für Unternehmen noch in der Pilotphase und wird derzeit nicht systematisch angewendet. Allerdings sind die beiden Systeme für gesetzliche Vertreter und „verantwortliches Personal“ miteinander verbunden. Es existiert derzeit keine offizielle Definition für "verantwortliches Personal", so dass davon ausgegangen werden muss, dass die Anwendung von Ort zu Ort und von Behörde zu Behörde unterschiedlich sein wird.

 

Ausblick

Derzeit arbeitet ein Konsortium aus Huawei, Alibaba, Tencent, VisionVera und Taiji Computer Corporation an einer neuen Metadatenbank, die alle relevanten Daten in einer zentralen Datenbank sammeln soll. Bislang existieren verschiedene Datenbanken, aber keine davon sammelt einen vollständigen Datensatz, was es für Unternehmen sehr schwierig macht, alle relevanten Informationen gebündelt einzusehen oder zu sammeln. Eine Testversion der neuen Metadatenbank soll im September 2019 freigegeben werden.

 
Ausländisch investierte Unternehmen mit bestehendem internen Compliance-System, das auf internationalen Standards basiert, sollten bereits jetzt in der Lage sein, einen Großteil der Anforderungen zu erfüllen oder zumindest bestimmte interne Prozesse gemäß dem SCS anzupassen. Die größte Herausforderung wird jedoch darin bestehen, genau zu wissen, was zu tun ist, um ein positives Rating zu sichern und aufrechtzuerhalten und ein möglicherweise schlechtes Rating erfolgreich zu löschen.

 
Es ist noch nicht zu spät, um Maßnahmen zu ergreifen, dennoch ist davon auszugehen, dass die Verordnungen und Durchsetzungsmaßnahmen im Laufe der Zeit weiterentwickelt und optimiert werden, so dass mögliche Lücken und Ausgangspunkte für Verhandlungen minimiert werden.

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